Opfere dich
schluchzte so heftig, dass sie nicht weitersprechen konnte.
Weshalb erwähnte sie ihre Tochter nicht? Hatte sie den Gedanken an die Dreijährige instinktiv verdrängt, eine Art Schutz ihres Verstandes, damit sie nicht wahnsinnig wurde? Storm dachte kurz daran, Kayla zu erwähnen, damit Carol aus ihrer Trance erwachte und wieder zu kämpfen begann. Doch der Gedanke, ihre Tochter möglicherweise nie wiederzusehen, könnte Carol ebenso gut in Panik oder einen Schockzustand versetzen, und das Gespräch wäre beendet.
„Sie werden bald wieder in Josephs Armen liegen.“ Storm versuchte ihr Hoffnung zu machen, damit sie nicht aufgab. „Bitte, konzen….“
„Überlegen Sie sich gut, was Sie als Nächstes tun“, brachte Carol gepresst heraus. Sie rang nach Atem, als würde sie keine Luft mehr bekommen. Sie klang nasal. Ihre Nase war verstopft. „Es könnte meinen … meinen Tod bedeuten.“ Ein Heulkrampf erschütterte sie.
Es zerriss Storm innerlich, aber sie musste Carol dazu bringen, ihr einen brauchbaren Hinweis zuzuspielen. „Wie sieht der Mann aus, der sie festhält? Ist er blond oder braunhaarig, groß oder klein, dick oder dünn?“ Sie vermied den Begriff „Wachsmörder“ absichtlich, um Carol nicht noch mehr aus der Fassung zu bringen. „Hat er ein grünes und ein blaues Auge?“
„Und den Tod vieler anderer Frauen.“ Carol röchelte. Sie war fertig mit ihren Nerven.
„Kannten Sie ihn vorher, Carol?“ Die Hundebäckerei „Delicacies for dogs“ wagte Storm nicht zu erwähnen, da sie davon ausging, dass der Killer mithörte. Aber weshalb hatte er dann das Telefonat nicht längst abgebrochen. Sie drängte Carol ständig dazu, ihn zu verraten. Er musste doch befürchten, dass sein Opfer schwach wurde und etwas über ihn oder den Aufenthaltsort preisgab. Oder war das wieder ein Zeichen seiner Überheblichkeit? Immerhin ließ er die Leichen der Opfer nicht verschwinden, sondern gab sie Fort Twistdale zurück, damit man von seinen Gräueltaten erfuhr. „Hat er Ihnen vielleicht mal eine Versicherung verkauft?“
Der Wachsmörder meldete sich. „Sie kann nicht mehr mit dir reden. Dank dir muss ich sie jetzt erst wieder aufpäppeln, bis ich mich weiter mit ihr vergnügen kann. Dadurch muss mein nächstes Spiel mit ihr doppelt so intensiv werden, weil ich viel nachzuholen habe. Ich hasse es, meine Bedürfnisse aufschieben zu müssen. Das ist deine Schuld, Storm. Du trägst Schuld daran, dass Carol doppelt leiden muss. Aber du wolltest ja unbedingt mit ihr reden.“ Er legte auf.
Mit zittrigen Fingern tippte Storm die Kurzwahltaste von Seligmans Handy. „Stevie?“ Sie überfiel ihn förmlich, nachdem er sich gemeldet hatte, aber jede Sekunde zählte in diesem Moment. „Der Wachsmörder hat mich gerade auf dem Festnetz angerufen. Kannst du nachverfolgen, woher der Anruf kam?“
„Ich bin noch auf dem Revier, bin irgendwie hängengeblieben“, sagte er, und Storm wettete, dass er in ein Computerspiel vertieft gewesen war und die Zeit vergessen hatte. „Ich melde mich wieder.“
Die Leitung war tot. Storm schaute verdutzt ihren Hörer an. Als Nächstes rief sie Malcolm an und berichtete ihm von ihrem Telefonat.
Er klang aufgeregt, aber besonnen. „Ich starte einen Rundruf, um alle von der Soko zu informieren.“
„Okay, und ich sage der Nachtschicht auf dem Revier Bescheid, damit sie in Alarmbereitschaft sind. Sobald Stevie sich meldet, geht’s los.“
„Ich hole dich ab, aber ich warte in der Parallelstraße auf dich“, sagte Malcolm und legte auf.
Storm schloss die Jalousien an ihrem Haus und ließ das Licht in der Küche an, damit die Reporter auf der Straße dachten, sie würde sich nach dem anstrengenden Arbeitstag etwas kochen. Dabei schlang sie nur rasch einen Apfel herunter und trank eine halbe Kanne Kaffee, weil sie befürchtete, dass die Nacht lang werden könnte. Sie rauchte eine Zigarette nach der anderen. Vielleicht sollte sie doch damit aufhören. Aber was hatte sie sonst noch? Da blieb eben nicht mehr viel.
Ihr Handy klingelte. Storm schrak hoch und meldete sich.
Es war Stevie. „Der Anruf kam von einem Mobiltelefon. Sitzt du? Es ist Gilbert Pinewoods.“
„Gils?“ Kam sie denn nie von ihm los? Nein, das war unfair, so zu denken. Er war schließlich wegen ihr bestialisch getötet worden.
„Der Serienmörder muss es nach dem Mord an ihm behalten haben. Der Provider hat es lokalisiert und mir die Koordinaten gegeben“, triumphierte er. „Die Officer von der
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