Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
die man Darmstadt nach Osten verließ.
Der VW-Transporter fuhr etwa drei Kilometer, bis er auf der Höhe des Bessunger Forsthauses war, eines Schullandheims. Doch der Wagen bog nach links in den Wald ab. Horndeich wusste, dass sich dort ein Parkplatz befand. Der war zwar nicht wirklich gut befestigt, aber er erfüllte seinen Zweck. Von dort aus konnte man nur noch zu Fuß weitergehen, denn die Waldwege erlaubten höchstens Förstern, mit Autos dort zu fahren.
»Warte kurz«, meinte Horndeich. Ohne weitere Erklärungen zu erwarten, fuhr Margot den Mini einfach an den Straßenrand. »Was zur Hölle wollen die hier? Poppen auf dem Parkplatz?«
Horndeich antwortete nicht. Stattdessen fragte er Margot: »Was für ein Datum haben wir heute?«
»Den 21. Juni, warum? Es ist Sommer, es ist heiß – aber was hat das mit den beiden zu tun?«
»Ich hab da so eine Idee. Fahr den Wagen mal auf den Parkplatz. Jetzt. Dann mach das Licht aus. Wenn ich recht habe, kommen noch ein paar Wagen mehr.«
Wie aufs Stichwort wurden hinter Margots Wagen die Scheinwerfer eines weiteren Autos sichtbar.
Der Pkw bog wie der Bulli auf den Parkplatz ein. Eine Minute später fuhr auch Margot den Mini auf den Parkplatz. Sie parkte den Wagen etwas abseits. Auf dem Platz standen außer dem VW-Transporter schon vier Fahrzeuge. Ein VW Golf III, ein Opel Astra Baureihe G, ein 5er-BMW neuerer Bauart und ein uralter Strich-Achter-Benz, wie Horndeich auf einen Blick erkannte.
Kurz nach ihnen bog der nächste Wagen ein. Wieder ein Golf. Er parkte neben Wellers Bulli. Aus dem Wagen stiegen zwei junge Frauen. Sie trugen beide dunkle, weite Gewänder. Im Licht des immer noch fast vollen Mondes glitzerten die Ketten, die sie sich umgehängt hatten.
»Was ist das denn? Karneval?«
»Schlimmer«, meinte Horndeich.
Nachdem die beiden Frauen im Wald verschwunden waren, wollte Margot schon aussteigen.
»Warte noch einen Moment.«
»Nein. Dann wissen wir nicht, wo sie hingehen. Wir müssen sie doch verfolgen.«
»Ich weiß, wo sie hingehen.«
Horndeich hätte viel darum gegeben, in diesem Moment Margots Gesichtsausdruck zu sehen. Aber obwohl es im Wagen dunkel war, konnte er ihn zumindest ziemlich gut erahnen.
»Was habe ich verpasst?«
»Kscht«, machte Horndeich. Wieder wanderten die Lichtkegel eines Fahrzeugs über den Parkplatz. Aus den Augenwinkeln erkannte Horndeich einen Volvo 740 Kombi. Margot und Horndeich rutschten in ihren Sitzen ein Stück tiefer, bis der Lichtkegel an ihrem Auto vorbeigeglitten war.
Der Wagen parkte am anderen Ende des Parkplatzes. Ein Pärchen stieg aus. Die Frau hatte ebenfalls ein dunkles Gewand an. Und auch der Mann war in Schwarz gekleidet.
»Können wir jetzt?«, fragte Margot.
»Nein. Lass uns warten, bis alle da sind.«
»Und dann weißt du genau, wo wir hingehen müssen?«
»Jepp.«
»Und woher?«
»Allgemeinbildung. Heute ist Litha. Sommersonnwende. Ab heute werden die Tage wieder kürzer. Wir haben heute die kürzeste Nacht des Jahres.«
»Super. Und deswegen weißt du, wo die alle hingehen? Der Sonne entgegen?«
»Fast. Tatsächlich Richtung Osten. Aber zunächst mal nach Norden.«
»Und das weißt du sicher?«
»Komm mit. Ich glaube, wir sind die Letzten.«
Damit öffnete er die Beifahrertür und stieg aus.
Margot folgte ihm, schloss den Wagen ab. »Wo sind die hin?«
»Die sind bei den Menhiren.«
»Wo?«
»Die sind am Stonehenge von Darmstadt. Einer Kultstätte. An solchen Stätten haben die heidnischen Kulturen ihre Feste gefeiert, etwa die Sonnwenden. Und heute feiern hier die neuen Heiden. Sozusagen.«
»Und was soll das sein? Heilige Steinkreise wie in England?«
Horndeich konnte seine Verwunderung nicht verbergen. »Nie davon gehört? Die Menhiranlage an den Scheftheimer Wiesen? Obelix’ Handlager in Hassia?«
»Nein.«
»Uralte Steinbrocken. Sieben sind da noch zu sehen, mindestens vierzehn waren es mal.«
»Und? Was ist daran so toll?«
»Zum Beispiel, dass die Steine aus Granitporphyr sind. Solche Klunker gibt es hier aber gar nicht. Der nächstgelegene Ort, an dem es diesen Granitporphyr gibt, liegt zwei Kilometer entfernt. Die müssen also von Menschen an diesen Ort verfrachtet worden sein. Wir reden von mehreren Tonnen bei jedem Stein.«
Horndeich führte Margot zielstrebig über den Waldweg, dann bog er nach rechts ab.
»Scht«, machte Margot. »Hörst du das?«
»Ja. Eine Trommel. Die haben schon ohne uns angefangen.«
»Wer ›die‹?«
»Das werden wir gleich
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