Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
kann.«
»Wunderbar. Denn ich hätte ein paar Fragen. Zu den alten Hexen. Und zu den neuen.«
Ruth Steiner sah Margot an. Sie wartete offensichtlich darauf, dass Margot fortfuhr.
»Was sagen Ihnen die neuen Hexen?«
Auf Ruth Steiners Stirn machte eine kleine senkrechte Furche deutlich, dass sie Margot nicht ganz folgen konnte.
»Wicca und so etwas«, präzisierte Margot.
»Wicca? Wie kommen Sie denn jetzt darauf?«
Margot schwieg. Die Spannung elektrisierte die Luft. Sollte die Steiner ruhig etwas schwitzen, dachte Margot. Denn die Kommissarin meinte sehr wohl zu wissen, von wem Doro diesen Kokolores hatte.
»Ich verstehe Sie nicht ganz, Frau Hesgart. Suchen Sie Kontakt zu einer Wicca-Gruppe?«
»Coven heißt das«, erwiderte Margot augenblicklich.
»Coven. Na gut. Ich verstehe dennoch nicht, worauf Sie hinauswollen.«
»Sind Sie auch Mitglied eines Covens?«
Die Spannung in der Luft löste sich. Was daran lag, dass Margot förmlich sah, wie vor Ruth Steiners Gesicht die Rollläden der Abwehr heruntergelassen wurden. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.«
»Haben Sie Doro zu diesem Hokuspokus gebracht? Waren Sie das?«
»Doro? Sie ist in einem Wicca-Coven?«
»Ja. Und Sie wollen mir jetzt erzählen, dass Sie davon nichts wissen?«
»Nein. Ich weiß, dass sie sich einer Gruppe angeschlossen hat, die sich mit Naturreligion beschäftigt. Allerdings hatte ich keine Ahnung, dass es eine Wicca-Gruppe ist. Aber wo ist das Problem?«
»Das Problem? Das Problem ist, dass die da ihre magischen Rituale zelebrieren. Sich als Hexen bezeichnen. Nachts im Naturschutzgebiet im Feuerschein um Steine tanzen.«
Ruth Steiner ließ die Arme wieder sinken. »Wie dramatisch …«
»Wie bitte?«
»Frau Hesgart, ich habe keine Ahnung, welche Vorstellung Sie von einem Wicca-Coven haben. Ich fürchte fast, genau die, die ihre Anhängerinnen haben. Nämlich, dass das ganze Energie-Getue irgendetwas bewirken könnte.«
Margot verstummte.
Zeit für Ruth Steiner, nachzulegen. »In meinen Augen ist das alles nichts anderes als das, was in Feng-Shui-Seminaren auch gemacht wird: viel Rauch um nichts. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung. Sehen Sie es so: Eine Wicca-Anhängerin wird bestimmt niemals drogensüchtig. Und unter uns: Doro ist ein unglaublich gewissenhafter Mensch. Und sie ist immer noch sehr danach auf der Suche, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Wenn sie derzeit in einer solchen Gruppe das findet, was sie sucht – was soll daran schlecht sein?«
Darauf fiel Margot nichts mehr ein. Hatte sie so ein schlechtes Bild von ihrer Stieftochter? Na ja, die hatte sich ja auch schon einige Klöpse geleistet.
»Ich gebe Ihnen gerade noch Telefonnummer und E-Mail-Adresse von Judith Reichenberg.«
Margot nickte nur.
Erst als Ruth Steiner sie zur Tür geleitet hatte, fand Margot die Sprache wieder. »Danke. Und Auf Wiedersehen.«
Ruth Steiner gab ihr die Hand.
Vor der Tür des Ladens atmete Margot tief ein.
Sehr tief.
Frau Reichenberg hatte ein sofortiges Treffen vorgeschlagen, denn am Nachmittag habe sie Verpflichtungen. Daher saß Horndeich nun mit Margot in einem Benz der Fahrbereitschaft und chauffierte sie zum Institut für Geschichte. Das residierte standesgemäß im Darmstädter Schloss. Bis vor wenigen Jahren waren auch die Kollegen des ersten Reviers dort beheimatet gewesen. Seit die weg waren, war der Vandalismus in den Schlosshöfen deutlich angestiegen.
Sie stellten den Wagen auf dem Schlosshof ab. Auch wenn das Polizeirevier sich nicht mehr im Schloss befand – zufällig war Horndeichs Schrankenkärtchen immer noch in seinem Portemonnaie. Sehr praktisch.
Sie gingen in den Kaisersaalbau. Dann erreichten sie das Büro von Judith Reichenberg.
Horndeich klopfte.
»Herein«, antwortete es von der anderen Seite der Tür. Horndeich öffnete, wollte eintreten. Doch instinktiv trat er erst mal einen Schritt zurück. Alle Wände waren vollständig bis unter die Decke mit Regalen zugestellt, abgesehen von der Stelle, an der sich ein Fenster den Platz abgetrotzt zu haben schien. Die Regale waren voller Bücher, Ordner und Stapel loser Papiere. Allein vier Regalbretter zierten schwarze Plastikrücken spiralgebundener Skripte. Ohne Beschriftung. Horndeich überlegte, ob ihm irgendeine Möglichkeit einfiel, auf diese Werke gezielt zuzugreifen.
Bevor er den Gedanken zu Ende führen konnte, sagte Judith Reichenberg: »Kommen Sie doch herein.«
Sie stand von
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