Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Ton. Das schwarze Haar war kurz geschnitten. Sie war dezent geschminkt und hatte die Nägel lackiert. »Frau Hesgart?«
»Ja«, sagte Margot. Und musste sich eingestehen, dass sie, nachdem sie die vier Stockwerke hinaufgestiegen war, einen leichten Nachholbedarf an Sauerstoff hatte. Die Treppen führten sogar noch weiter nach oben, offenbar ins Dachgeschoss.
»Man gewöhnt sich dran«, sagte Anke Wölzer lächelnd und bat Margot mit einer Geste in die Wohnung.
Im weitläufigen Flur hingen ein paar Fotografien an den Wänden. Es schien sich um Familienbilder zu handeln. Frau Wölzer, Herr Wölzer und zwei Mädchen im Grundschulalter, offensichtlich im Urlaub.
So dunkel der Flur war, so hell war das große Wohnzimmer. Es maß sicher dreißig Quadratmeter. Die Wohnung wirkte aufgeräumt, sauber, aber auch hier hätten ein paar neue Tapeten und ein wenig frische Farbe das Ambiente verschönert. Auch die Fenster waren schon älter. Schmale Risse neben den Rahmen zeugten davon, dass die Mauern des Hauses arbeiteten.
Anke Wölzer entgingen Margots Blicke nicht: »Ja. Es müsste viel gemacht werden. Wir bearbeiten – ich bearbeite den Vermieter schon ewig wegen neuer Fenster und den Rissen in den Wänden. Bevor das nicht gemacht ist, will ich keine neuen Tapeten anbringen. Aber jetzt – ach, vielleicht ziehe ich doch aus.«
Die Möbel waren stilvoll, aber eindeutig Zeugnisse der Flower-Power-Zeit. Die Stehlampe mit Leuchtkugel in Orange würde heute sicher für einen guten Preis verkauft werden können.
»Nehmen Sie doch Platz.«
Margot ließ sich auf einem der beiden Ledersofas nieder.
»Kaffee? Tee?«
»Gern. Kaffee.«
Während Frau Wölzer den Kaffee zubereitete, sah sich Margot weiter um. Eine Wand war von einem braunen Massivholzregal bedeckt – eindeutig aus der Zeit, bevor der schwedische Möbelriese deutsche Wohnzimmer erobert hatte. Auf dem Regal waren zwei große Regalboxen installiert. Margot musste schmunzeln: Ihr Vater hätte die Augen verdreht und einen Vortrag darüber gehalten, dass man durch den falschen Standort den Klang der besten Lautsprecherboxen ruinieren konnte. Was bei dieser Platzierung sicher zutraf.
Der Boden war mit Teppich bedeckt, der sicher auch schon bessere Jahrzehnte gesehen hatte. An einer Stelle sorgte ein Flokati für Abwechslung.
Anke Wölzer kam mit Kaffeegeschirr zurück, stellte es auf dem hölzernen Couchtisch ab, schenkte Margot ein. »Zucker? Milch? Bedienen Sie sich.«
Sie ließ sich auf dem anderen Sofa nieder.
Margot nahm den obligatorischen halben Löffel Zucker und legte dann noch eineinhalb Löffel nach.
»Was möchten Sie wissen, Frau Hesgart?«
»Frau Wölzer, es gibt ein paar konkrete Fragen, die ich habe, denn wir ermitteln in einem Mordfall, der im Zusammenhang mit dem Tod Ihres Mannes stehen könnte.«
»Mein Mann ist also doch keines natürlichen Todes gestorben?«
»Doch. Das ist er, soviel wir wissen. Dennoch möchte ich Sie nochmals fragen, ob Ihnen irgendetwas Außergewöhnliches aufgefallen ist?«
»Abgesehen davon, dass ihm seine Kleider fehlten, seine Brille, abgesehen davon, dass er bereits zwei Tage tot war, bevor er am Fundort abgelegt wurde? Abgesehen davon, dass unsere Kinder an der Schule keine ruhige Minute mehr hatten? Nein. Abgesehen davon ist mir überhaupt nichts aufgefallen.«
Okay. Die Frage, auf diese Art gestellt, war wenig zielführend gewesen. Also schlug Margot einen anderen Weg ein. »Es hat weitere Todesfälle gegeben. Menschen, die Ihr Mann kannte.«
»Wen?«
»Sagen Ihnen die Namen Till Hansen, Emil Sacher und Philipp Kaufmann etwas?«
»Sind sie alle tot?«
»Nein.« Mehr sagte Margot nicht.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Anke Wölzer erkannte, dass die Polizistin nicht mehr preisgeben würde. »Ja. Ich kenne alle drei. Kaufmann war sogar noch mal hier, ist vielleicht zwei Jahre her. Alle drei waren in derselben Studentenverbindung. Also, Hansen nicht mehr. Der ist vor sechs Jahren ausgetreten. Seitdem ist der Kontakt zu ihm abgerissen. Sacher – den habe ich das letzte Mal vor über vier Jahren gesehen. Richard hatte mich gebeten, ihn zum Stiftungsfest zu begleiten. Das habe ich getan – aber diese Verbindungen – das war mehr sein Ding.«
Margot dachte kurz nach. Seit sechs Jahren hatte es angeblich keinen Kontakt mehr zu Till Hansen gegeben. Nur dass Geld geflossen war. Margot entschied sich, das Thema noch nicht gleich anzusprechen. »Kennen Sie die drei Herren näher?«
»Nein. Ich habe sie immer
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