Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
durchtrainiert war. »Darf ich fragen, wer das ist?«
»Das ist Judith, eine Freundin von Ruth.«
Judith Reichenberg. Horndeich erinnerte sich. Das war die Frau an der Uni, die Margot und ihn vor einer guten Woche über das Thema Hexen informiert hatte. Ruth Steiner hatte Horndeich und Margot an sie verwiesen. »Sie sagen, Judith ist Ruths Freundin. Nicht die Ihre?«
»Ich weiß zwar nicht, was das hier zur Sache tut – aber nein, Judith ist nicht meine Freundin. Es war Ruths Idee, zu dritt zu fahren, und ja, es war ganz lustig. Aber ich habe Judiths Gesellschaft als etwas anstrengend empfunden.«
»Ist irgendetwas vorgefallen?«
»Nein, es ist nichts vorgefallen. Aber vier Wochen miteinander auf Reisen – da lernt man sich kennen. Und mir ist Judiths etwas – nun, sagen wir, etwas extrovertierte Art mit der Zeit ein wenig auf die Nerven gegangen. Aber das dürfte mit dem Mord an Emil Sacher kaum etwas zu tun haben, oder?«
Da musste Horndeich Frau Lutter recht geben. »Wann ist Ruth Steiner in jener Nacht wieder nach Hause gefahren?«
»Gar nicht. Sie hat hier übernachtet. Wie gesagt, wir hatten Wein getrunken. Sie ist dann am nächsten Morgen nach Hause gefahren.«
Horndeich erinnerte sich an die Aussage der Zeugin mit dem Hund. Um zwei hatte der Wagen an der Straßenecke gestanden. Aber um zweiundzwanzig Uhr und um sechs Uhr morgens nicht. Horndeich überlegte, ob er das ansprechen sollte. Er entschied sich dagegen.
»Herzlichen Dank, Frau Lutter, das war es dann auch schon.«
Er hatte noch ein wenig Papierkram erledigt und war dann zu Ruth Steiners Buchhandlung gefahren. Die wollte mit ihm in ihrer Mittagspause sprechen, was Horndeich durchaus passte. Sollten die beiden Freundinnen ruhig noch mal miteinander telefonieren. Horndeich hatte die Erfahrung gemacht, dass bei Absprachen zwischen Menschen, wenn sie eine erfundene Geschichte mit Fakten auffüttern wollten und sie sich darüber abstimmten, Fehler vorprogrammiert waren. Und Horndeich war sich zweier Dinge ganz sicher. Erstens: Der Abend, an dem Ruth Steiner ihre Freundin Silvia besucht hatte, hatte sich nicht so abgespielt, wie Silvia Lutter es geschildert hatte. Zweitens war Horndeich fest davon überzeugt, dass Silvia Lutter unmittelbar nach Horndeichs Verschwinden ihre Freundin Ruth angerufen hatte. Und was das zu bedeuten hatte, würde er jetzt herausfinden.
Fünf Minuten später saß er mit Ruth Steiner in ihrem fensterlosen Büro. Im Sommer war das nicht so prickelnd, fand Horndeich. Wahrscheinlich hatte Ruth Steiner deswegen auch die Tür zum Laden offen gelassen, denn so wurde dem Kunstlicht an der Decke wenigstens ein wenig Tageslicht hinzugefügt.
»Frau Steiner, ich hätte da noch ein paar Fragen zu der Nacht, in der Sie Ihre Freundin besucht haben.«
»Welche Nacht? Welche Freundin. Ich besuche immer mal wieder Freundinnen.«
Horndeich blätterte in dem Schnellhefter, den er gerade noch zusammengerollt in der Hand gehalten hatte. Schwarz auf Weiß wirkte immer gut, gerade dann, wenn es eine unwahre Geschichte zu zerpflücken galt. »Eine Zeugin sagt, sie habe Ihren Wagen an der Ecke Heinrich-Fuhr-Straße und Beckstraße gesehen. Freitag vor einer Woche.«
»Ja. Das kann sein. Dann meinen Sie meine Freundin Silvia Lutter, die ich in der Nacht besucht habe.«
»Genau. Silvia Lutter. Können Sie mir bitte noch sagen, wann genau Sie Frau Lutter besucht haben?«
Ruth Steiner überlegte kurz. Dann sagte sie: »Es war schon spät. Elf Uhr, halb zwölf. Genau weiß ich das nicht mehr.«
»Warum haben Sie sie besucht?«
»Einfach nur, um zu quatschen.«
»Und das haben Sie auch gemacht.«
»Ja. Wir haben eine Flasche Rotwein aufgemacht. Und wir haben uns Bilder angeschaut. Vom letzten Urlaub.«
»Dem Urlaub mit Judith Reichenberg.«
»Genau. Aber was hat das denn jetzt mit dem Mord an Emil Sacher zu tun?«
»Sorry, die Fragen stelle ich.«
Ruth Steiner zuckte nur mit den Schultern.
»Silvia Lutter sagte, dass es mit Judith nicht immer einfach im Urlaub war.«
»Das stimmt. Aber ich komme mit ihr gut klar.«
»Wann sind Sie an dem Abend nach Hause gefahren?«
»Gar nicht. Also nicht in dieser Nacht.«
»Warum?«
»Ich sagte schon, dass wir etwas getrunken haben. Daher wollte ich nicht mehr Auto fahren.«
»Wann sind Sie dann gefahren?«
»Ich öffne den Laden samstags um zehn. Also bin ich gegen neun gefahren.«
»Haben Sie noch zusammen gefrühstückt?«
»Ja.«
»Was gab es denn?«
»Herr Horndeich, was soll
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