Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
sich.
»Meine Kollegen und ich ermitteln gerade in diesen Fällen.«
Die Kellnerin nickte.
»Sie haben ja damals schon umfangreich ausgesagt. Kann es sein, dass Sie sich bis heute vielleicht noch an weitere Details erinnert haben?«
Petra Schöffer schluckte. Dann stand sie auf. »Einen Moment.« Gleich darauf kam sie mit einem Bier in der Hand zurück. »Ist nicht einfach. Hab lange gebraucht, bis ich mein Leben wieder einigermaßen auf die Reihe bekommen habe. Nach einem halben Jahr bin ich aus Heidelberg weggezogen. Zuerst wieder zu meinen Eltern an den Bodensee. Dann hierhin, weil ich in Dieburg angefangen habe zu studieren. Das mache ich seit zwei Jahren. Online-Journalismus. Bin immer noch in Therapie. Diese Angst im Dunkeln, die Panikattacken – in der Theorie klingt das alles gar nicht so wild. Aber wenn die Panik dich packt, würgt, fesselt … Sorry. Ich will Ihnen hier nichts vorjammern. Es ist gut, dass es vorbei ist. Und der eine, der kommt vor Gericht?«
»Wenn er lebend wieder auftaucht, klar. Ich habe Ihnen die Bilder der vier mitgebracht. Darf ich sie Ihnen zeigen?«
Petra Schöffer nickte.
Margot legte die vier Bilder nebeneinander. Ihr entging nicht, wie die Hände der Frau ihr gegenüber zitterten. Dann zeigte sie auf das Bild von Kaufmann.
»Das ist der Mann, den ich erkannt habe. Hundertprozentig.« Sie betrachtete die anderen Bilder. »Nein, sorry, da ist nichts in meinem Kopf. Ich habe mir das Hirn zermartert. Aber …«
Sie hielt kurz inne. »Scheiße. Doch. Ich erinnere mich. Der da! Den habe ich im Gastraum bemerkt. Weil er mir zugeblinzelt hat.« Sie zeigte auf Hansen. »Er ist in dem Gedränge an mir vorbeigegangen. Jetzt, da ich das Bild sehe, erkenne ich ihn wieder.«
»Sie können sich nicht mehr daran erinnern, wer der vierte Mann war, der erst nach den anderen herauskam?«
»Doch. Das kann ich. Zwei Jahre Therapie. Mein Gott. Wissen Sie, da kommt viel hoch. Viele Tränen, aber auch viel Klarheit. Ich habe alle Puzzleteile dieses Abends wieder zusammengesetzt, soweit ich das konnte. Und dieser Mann …«, sie zeigte auf Philipp Kaufmann, »das war der, der verhindert hat, dass mich einer von diesen Arschlöchern wirklich vergewaltigt hat. Ich habe mich auch daran erinnert, was er genau gesagt hat.«
»Und das war?«
»Zwei der Typen hielten mich und drückten mich an die Mauer, sodass ich mich nicht bewegen konnte. Einer riss unten an meinen Klamotten und an mir herum. Dann hörte ich, wie die Tür zum Hinterhof aufging, die quietschte wie Tier. Endlose Sekunden, in denen meine Angst zu Todesangst wurde. Ich dachte, mein Gott, wenn da jetzt noch einer dazukommt … Aber dann hörte ich seine Stimme. Nah. Er musste den anderen zurückgezogen haben. Denn während er sagte: ›Hör auf mit dem Scheiß!‹, spürte ich die Finger des Oberarschlochs schon nicht mehr. Dann schrie er noch: ›Nicht schon wieder das Ganze!‹ Dann ließen mich die beiden anderen los. Als ich mich umwandte, da hatten sich die beiden, die mich festgehalten hatten, schon weggedreht. Drei rannten sofort weg, und der eine, der mich gerettet hatte, der sah mich kurz an. Und die Art, wie er mich angesehen hat, das weiß ich heute, das war so was wie ein Um-Verzeihung-Bitten. Er hatte auch so ein grünes Band umhängen, das mir bei den anderen schon aufgefallen war. Der Mann war auf jeden Fall der, der mir nichts getan hat.«
»Das ist der Mann, der noch lebt.«
»Und die anderen drei sind wirklich tot?«
»Ja.«
»Ermordet, haben Sie gesagt?«
»Zwei von ihnen. Bei einem ist es nicht ganz sicher.«
Petra Schöffer schwieg und nahm einen tiefen Schluck Bier. »Dann ist es tatsächlich endgültig vorbei. Besteht eine Chance, dass der vierte wieder auftaucht, oder gehen Sie davon aus, dass er auch tot ist?«
»Wir wissen es nicht.«
»Wenn er wieder auftauchen sollte, sagen Sie mir Bescheid?«
»Ja.«
Eine Gruppe von zwei Paaren betrat die Kneipe. Sie setzten sich an den Tisch unter dem Plakat der Black-Sabbath-Tour 1983. Und zündeten sich jeweils eine Kippe an.
»Ich muss wieder«, sagte Petra Schöffer.
»Ja. Ich bleibe noch ein wenig sitzen. Könnte ich bitte noch ein Mineralwasser haben?«
»Klar, kommt sofort.«
Margot dachte nach. Wenn Petra Schöffer schon früher von der wahren Identität des Quartetts erfahren hatte – dann hätte sie ein glasklares Motiv. Nur, wie sollte sie all die Zusammenhänge hergestellt haben? Und wie sollte diese zierliche junge Frau den toten Körper
Weitere Kostenlose Bücher