Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
das konnte Kaufmann sein, etwas schmaler im Gesicht. Margot druckte auch dieses Bild aus.
Dann jagte sie alle Ausdrucke durch eine Laminiermaschine. Für eine Disco vielleicht der richtige Schutz vor Bier, Cola und Schweiß.
Sie verließ das Arbeitszimmer. Ging ins Bad. Schminke oder nicht Schminke, das war hier die Frage. Sie wählte die etwas aufdringliche Variante.
Der Kleiderschrank war die nächste Etappe. Sie wollte unter dem Publikum im Schuppe’, wie die Disco auch genannt wurde, nicht gleich auffallen. Sie entschied sich für eine normale blaue Jeans und die enge Baumwollbluse, einfarbig, mit geknöpftem Ausschnitt.
Der Schuppen war noch nicht voll. Es war knapp einundzwanzig Uhr. Buddy Joe von Golden Earring lief. Margot ging auf die Tanzfläche. Sie sah sich um, während sie sich im Rhythmus des Liedes bewegte, das auch ihrem Vater immer gut gefallen hatte.
Was Margot bei ihrem letzten Besuch der Disco drei Jahre zuvor fasziniert hatte, war, dass die Zeit hier stehen geblieben zu sein schien. Alles sah auf den ersten Blick genauso aus wie vor dreißig Jahren. Treppen führten nach oben auf die Empore, die die Tanzfläche umschloss. Holzfachwerk stützte sie ab. Eine Querseite der Empore gehörte ganz allein dem DJ und seinem Equipment. Scheunen-Ambiente – der Schuppe’ halt. Das Nächste, was Margot drei Jahre zuvor aufgefallen war, war, dass das Publikum sowohl aus der aktuellen Teenie-Generation stammte als auch aus jener, die vor zehn, vor zwanzig, vor dreißig und sogar vierzig Jahren Teenies gewesen waren. Wenn Emil Sacher und Philipp Kaufmann vor etwa fünfundzwanzig Jahren hier gewesen waren, dann standen die Chancen gut, dass sich heute noch einer der Teenies aus der Zeit an sie erinnerte, weil er nach wie vor treuer Schuppengänger war.
Margot fielen drei Frauen auf der Tanzfläche auf, die etwas jünger waren als sie selbst. Eine hatte langes blondes Haar, trug eine enge schwarze Satinhose und eine dunkelblaue Bluse mit tiefem Ausschnitt. Sie sah sich genau wie Margot neugierig um, checkte die Neuankömmlinge. Sie war auf der Suche. Nach was auch immer.
Als die Frau die Tanzfläche verließ, ging Margot ihr nach.
»Sorry, dass ich dich anspreche – darf ich dich was fragen?«, meinte Margot.
Die Blonde drehte sich um. »Was willst du?« Sie taxierte Margot.
»Margot.« Sie reichte der Frau die Hand.
Die schlug ein. »Wanda.«
»Komm, ich geb eine Runde aus. Was magst du?«
»Du bist aber keine Lesbe, oder?«
Margot liebte Direktheit. »Nein, ich bin keine Lesbe.«
Wandas Gesicht verriet, dass sie nicht ganz sicher war, ob sie sich darüber freuen sollte. Denn eine schlanke Margot-nicht-Lesbe bedeutete im Umkehrschluss: Konkurrenz. »Cool. Ich nehm Bier.«
Sie setzte sich zu Wanda, die Bedienung nahm die Bestellung auf. In der vergangenen Viertelstunde hatte sich die Disco um einiges gefüllt.
»Also, was willst du?«
Margot hatte sich eine einfache Geschichte zurechtgelegt. »Ich war mal hier bei euch im Urlaub. Meine Eltern hatten eure Gemeinde als Traumziel für ihren Urlaub entdeckt. Und ich habe damals zwei Jungs kennengelernt. Die waren auf dem Internat hier um die Ecke, im Rimdidim.«
Ein Lächeln überzog Wandas Gesicht. »Oh ja, da gab es ein paar heiße Typen.«
Margot zog die Fotos aus der Tasche. »Hier ist der eine.« Sie legte das Bild mit dem Porträt von Sacher auf den Tisch.
Der Gesichtsausdruck veränderte sich. »Emil.«
Treffer!, dachte Margot.
»Ja. Den kenn ich. Also, den hätte ich gern gekannt. War immer mal wieder hier.« Wanda machte keine Anstalten, mehr zu sagen.
»Hast du ihn nun gekannt oder nicht?«
»Na ja, oberflächlich. Aber er war sympathisch.«
Wanda schwieg wieder.
Die Bedienung brachte die Getränke, Margot bezahlte.
»Hast du mit ihm gefickt?«, fragte Wanda unvermittelt.
Ups. Mit einer so direkten Ansage hatte Margot nicht gerechnet. Und offenbar wäre es Wanda nicht recht gewesen, wenn dem so gewesen wäre. »Nein. Ich hab ihn angehimmelt, aber er wollte nichts von mir wissen.« Hoffentlich zählte Wanda nicht zu genau die Jahre, die sie trennten.
»Obwohl du so viel älter warst als er?«
Okay, der Schuss ging nach hinten los. »Tja. Emil kannte seinen Marktwert. Und dadurch hat er sich sicher manches Schnittchen entgehen lassen, oder?« Margot versuchte es mit Lächeln, und der Coup glückte.
»Genau. Der Typ wusste gar nicht, was er verpasst!« Das bezog Wanda jetzt sicher weniger auf Margot als auf sich. Aber sei es
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