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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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bewusst gewesen.
    Eine einzelne nackte Tatsache, die zu Galt führen würde. Oder zum Ort des nächsten Anschlags. Oder zu der geheimnisvollen »Gerechtigkeit-für«.
    Und er war sich nur zu bewusst, dass diese Tatsache, dieser Fund, diese Spur … auch ihn, Dellray, den Agenten alter Schule und seine Methoden legitimieren würde, weit, weit weg vom digitalen Umfeld.
    Dellray trank einen Schluck Kaffee und sah auf die Uhr. Genau drei. William Brent hatte sich noch nie verspätet, nicht mal um eine Minute. (Der Informant hatte mal gesagt, es sei »ineffizient«, zu früh oder zu spät zu kommen.)
    Eine Dreiviertelstunde später, nachdem Brent ihn nicht mal angerufen hatte, überprüfte Fred Dellray ein weiteres Mal mit
grimmiger Miene den SMS-Eingang seines Wegwerftelefons. Nichts. Er wählte zum sechsten Mal Brents Nummer. Und landete immer noch sofort bei der Automatenstimme, die ihn aufforderte, eine Nachricht zu hinterlassen.
    Dellray wartete noch zehn Minuten, versuchte es ein letztes Mal und forderte dann einen großen Gefallen ein: Ein Kumpel von ihm arbeitete bei einem der Mobilfunkanbieter und fand für ihn heraus, dass der Akku aus Brents Telefon entfernt worden war. Es gab natürlich nur einen Grund, so etwas zu tun: Er wollte nicht aufgespürt werden.
    Ein junges Paar näherte sich und fragte, ob Dellray den freien Stuhl an seinem Tisch benötige. Sein Blick musste wohl ziemlich einschüchternd gewesen sein, denn die beiden zogen sich sofort wieder zurück, und der Junge versuchte nicht mal ansatzweise, sich ritterlich oder tapfer aufzuführen.
    Brent ist verschwunden.
    Er hat mich beklaut und ist abgehauen.
    Dellray dachte daran, wie selbstsicher und überzeugend der Mann gewesen war.
    Garantie, schöne Scheiße …
    Einhunderttausend Dollar … Er hätte misstrauisch werden müssen, als Brent auf einer so gewaltigen Summe bestand – in seinem schäbigen Anzug und den fadenscheinigen Socken mit Rautenmuster.
    Dellray hätte gern gewusst, ob der Mann sich mit dem unverhofften Geldsegen wohl eher in der Karibik oder in Südamerika niederlassen würde.

… Sechsundvierzig
    »Wir haben neue Forderungen erhalten.«
    Andi Jessen blickte Rhyme mit finsterer Miene aus seinem Flachbildschirm entgegen. Sie hatten eine Videokonferenz geschaltet. Ihr blondes Haar wirkte steif, mit sehr viel Spray fixiert. Vielleicht hatte sie im Büro übernachtet und am Morgen nicht geduscht.
    »Wie bitte?« Rhyme schaute zu Lon Sellitto, Cooper und Sachs, die sich mit ihm im Labor befanden und alle mitten in der Bewegung erstarrt waren.
    Der massige Detective legte den halben Muffin hin. Das Gebäck hatte er sich von einem Teller genommen, den Thom hereingebracht hatte. »Es gab gerade erst diesen Anschlag, und er droht uns schon wieder? «
    »Ich fürchte, es hat ihm nicht gefallen, dass wir ihn ignoriert haben«, stellte Jessen trocken fest.
    »Was will er?«, fragte Sachs im selben Moment, in dem Rhyme sagte: »Ich brauche den Brief hier. So schnell wie möglich.«
    Jessen wandte sich zuerst an Rhyme. »Ich habe das Schreiben Agent McDaniel gegeben. Es ist bereits zu Ihnen unterwegs.«
    »Wann läuft die Frist ab?«
    »Um achtzehn Uhr.«
    » Heute? «
    »Ja.«
    »Mein Gott«, murmelte Sellitto. »In zwei Stunden.«
    »Und er verlangt?«, wiederholte Sachs ihre Frage.

    »Er will, dass wir alle Gleichstromverbindungen zu den anderen nordamerikanischen Netzen kappen, und zwar für eine Stunde, beginnend um achtzehn Uhr. Falls wir das nicht tun, bringt er weitere Leute um.«
    »Was bedeutet diese Forderung?«, fragte Rhyme.
    »Unser Verbundnetz ist die Northeastern Interconnection, und die Algonquin ist darin der größte Energielieferant. Falls ein Versorger in einem anderen Netz zusätzliche Kapazitäten benötigt, verkaufen wir sie ihm. Sobald die Entfernung mehr als achthundert Kilometer beträgt, benutzen wir für den Transport Gleichstrom, nicht Wechselstrom. Das ist kostengünstiger. Die Empfänger sind meistens kleinere Anbieter in ländlichen Gegenden. «
    »Und was will Galt damit bewirken?«, fragte Sellitto.
    »Das weiß ich beim besten Willen nicht. Es ergibt für mich keinen Sinn. Vielleicht will er das Krebsrisiko im Umkreis der Leitungen senken. Aber ich schätze, dass in ganz Nordamerika weniger als tausend Leute nahe an einer Gleichstromleitung wohnen.«
    »Galts Verhalten ist nicht zwingend rational«, sagte Rhyme.
    »Stimmt.«
    »Können Sie seine Forderungen erfüllen?«
    »Nein, können wir nicht. Es ist

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