Opferlämmer
Ihre Kleidung gekommen ist. Am Flughafen von Mexico City, bevor Sie zurück nach Philadelphia geflogen sind, um Randall Jessen zu entführen und nach New York zu fahren.«
Logan konnte nur seufzen und bestätigte damit Rhymes Theorie.
»Bis dahin war alles nur Vermutung. Ihre Beteiligung war reine Spekulation – bis ich begriff, dass ich die Antwort direkt vor mir hatte. Die eindeutige Antwort.«
»Was meinen Sie?«
»Die DNS. Wir hatten die Analyseergebnisse einer Blutspur, die wir an der Zugangsluke aus dem Keller des ersten Umspannwerks
sichern konnten. Aber wir hatten sie nie mit CODIS abgeglichen – der DNS-Datenbank. Warum sollten wir auch? Wir kannten ja bereits Galts Identität.«
Das hatte letzte Gewissheit gebracht. Rhyme hatte Cooper per getippter Nachricht angewiesen, das DNS-Labor zu einem solchen Abgleich zu veranlassen. »Wie Sie sich vielleicht erinnern, haben wir eine Probe Ihrer DNS genommen, als wir uns vor einigen Jahren zum ersten Mal begegnet sind. Seitdem war sie im System gespeichert. Als Sie vorhin hier aufgetaucht sind, hatte ich soeben die Bestätigung erhalten, dass die aktuelle Probe damit übereinstimmt. Ich habe es gerade noch rechtzeitig geschafft, das Programm auf meinem Monitor zu schließen.«
Logans Züge verhärteten sich immer mehr. Die Wut auf sich selbst nahm zu. »Ja, ja … Ich habe mir an einem scharfkantigen Grat dieser Luke den Finger verletzt. Dann habe ich das Blut so gut wie möglich weggewischt, aber befürchtet, dass Sie es finden würden. Deshalb habe ich die Batterie präpariert, um die Spur endgültig zu vernichten.«
»Locards Prinzip«, sagte Rhyme und zitierte den Kriminalisten des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. »Bei jedem Verbrechen findet ein Austausch …«
»… zwischen Täter und Opfer oder Täter und Tatort statt«, fiel Logan ihm ins Wort. »Die Spur mag schwierig zu entdecken sein, aber die Verbindung existiert. Und es ist die Aufgabe eines jeden Tatortermittlers, das eine gemeinsame Beweisstück zu finden, das zur Identität des Täters führt, wenn nicht sogar zu seiner Türschwelle.«
Rhyme musste unwillkürlich lachen. Der Wortlaut des Zitats stammte von ihm. Er hatte Locard in einem Artikel für eine Fachzeitschrift paraphrasiert, und zwar erst vor zwei oder drei Monaten. Auch Richard Logan hatte offenbar seine Hausaufgaben gemacht.
Oder war es um mehr als nur Nachforschungen gegangen?
Deshalb habe ich zugesagt … Ich wollte in Ihre Nähe gelangen …
»Sie sind nicht nur ein guter Kriminalist, sondern auch ein guter Schauspieler«, sagte Logan. »Sie haben mich zum Narren gehalten.«
»Auf dem Gebiet sind Sie auch nicht ganz untalentiert, oder?«
Die Männer sahen einander in die Augen. Dann klingelte Sellittos Telefon. Er führte ein kurzes Gespräch und trennte die Verbindung. »Der Transport ist da.«
Drei Beamte betraten den Raum, zwei Uniformierte und ein braunhaariger Detective in Jeans, blauem Hemd und gelbbraunem Sportsakko. Sein freundliches Lächeln wurde ein wenig durch die Tatsache relativiert, dass er zwei sehr große Automatikpistolen am Gürtel trug.
»He, Roland«, begrüßte Amelia Sachs ihn lächelnd.
»Wir haben uns lange nicht gesehen«, sagte Rhyme.
»Howdy. Na, da ist euch ja ein schöner Fang gelungen.« Roland Bell stammte ursprünglich aus North Carolina und hatte dort bereits als Polizist gearbeitet. Seit einigen Jahren war er Detective beim NYPD, aber man hörte ihm die Südstaatenherkunft noch an. Sein Spezialgebiet waren der Zeugenschutz und die Bewachung von besonders gefährlichen Tätern. Es gab für diesen Job keinen Besseren. Rhyme war erfreut, dass ausgerechnet Bell den Uhrmacher ins Untersuchungsgefangnis verfrachten würde. »Er wird in guten Händen sein.«
Bell nickte den Streifenbeamten zu, und sie halfen Logan auf die Beine. Der Detective überprüfte die Hand- und Fußfesseln und durchsuchte den Mann eigenhändig. Dann machten sie sich auf den Weg. Der Uhrmacher wandte den Kopf. »Wir sehen uns hoffentlich wieder, Lincoln«, sagte er.
»Bestimmt sogar. Ich freue mich schon darauf.«
Logans Lächeln wich einer verblüfften Miene.
»Ich werde als Sachverständiger der Spurensicherung bei Ihrem Prozess aussagen«, fuhr Rhyme fort.
»Vielleicht dort. Vielleicht woanders.« Der Mann schaute zu der Breguet. »Vergessen Sie nicht, sie weiterhin aufziehen zu lassen.«
Und mit diesen Worten wurde er hinausgeführt.
… Einundachtzig
»Es tut mir sehr leid, Rodolfo.«
»Arturo?«,
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