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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Orientierungslosigkeit, die ihn auch heute noch gelegentlich heimsuchten. (Für seine Entschlossenheit, sich nicht unterkriegen zu lassen, hatte er sich vor allem Rhyme zum Vorbild genommen.)
    Um aus Pulaski einen erstklassigen Mitarbeiter zu machen, musste Rhyme ihm unter anderem ein unerschütterliches Selbstbewusstsein einflößen. Alle Kenntnisse der Welt nützten nichts, sofern man nicht das Rückgrat besaß, sich notfalls durchzusetzen. Rhyme wollte es noch erleben, dass Pulaski eine hohe Position bei der Spurensicherung von New York City bekleidete. Er wusste, dass es möglich war, und hoffte insgeheim, Pulaski und Sachs würden die Einheit irgendwann einmal gemeinsam leiten. Das wäre dann Rhymes Vermächtnis.
    Er dankte den beiden Technikern, die ihm respektvoll zunickten und sich wieder auf den Weg machten. Nach ihren Mienen zu schließen, prägten sie sich den Anblick des Labors genau ein. Nur wenige Leute aus der Zentrale hatten Rhyme je persönlich aufgesucht. Er nahm in der Hierarchie des NYPD eine Sonderstellung ein; erst kürzlich hatte es einige personelle Veränderungen gegeben, und der Leiter der Spurensicherung war ins County Miami-Dade gewechselt. Bis ein neuer Chef ernannt werden konnte, führten einige erfahrene Detectives die Einheit. Man hatte sogar überlegt, ob Rhyme nicht ein weiteres Mal für diesen Posten in Betracht kommen könne.
    Als der Deputy Commissioner deswegen anrief, hatte Rhyme ihn darauf hingewiesen, dass es eventuell einige Probleme mit
dem JST geben würde – dem Job Standard Test des NYPD. Zum Nachweis der körperlichen Leistungsfähigkeit ist dabei innerhalb eines vorgeschriebenen Zeitrahmens ein Hindernisparcours zu bewältigen. Die Kandidaten müssen auf eine zwei Meter hohe Wand zulaufen und sie überwinden, einen Verdächtigen festnehmen und fesseln, eine Treppe hinaufrennen, eine achtzig Kilo schwere Puppe in Sicherheit ziehen und den Abzug einer Waffe betätigen, sechzehnmal mit der dominanten Hand, fünfzehnmal mit der anderen.
    Rhyme lehnte das Angebot ab und erklärte, der Test sei für ihn unmöglich zu schaffen, denn er könne allenfalls eine einen Meter hohe Mauer überspringen. Doch er fühlte sich sehr geschmeichelt.
    Sachs kam nun wieder nach unten. Sie trug Jeans und einen hellblauen Pullover. Ihr Haar war gewaschen und noch immer leicht feucht. Sie hatte es im Nacken erneut zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst und mit einem schwarzen Haargummi gebändigt.
    Es klingelte an der Tür. Thom öffnete und ließ den Neuankömmling herein.
    Der schlanke Mann mittleren Alters, der wie ein unauffälliger Buchhalter oder Handelsvertreter aussah, war Mel Cooper, den Rhyme für einen der landesweit besten Kriminaltechniker hielt. Mit Abschlüssen in Mathematik, Physik und organischer Chemie sowie Erfahrungen aus leitenden Positionen in diversen internationalen Fachverbänden war er in der Zentrale der Spurensicherung eigentlich unverzichtbar. Da Rhyme aber derjenige gewesen war, der Cooper einst von seinem früheren Job im Staat New York für das NYPD abgeworben hatte, galt als vereinbart, dass Cooper alles stehen und liegen lassen und nach Manhattan eilen würde, sobald Rhyme und Sellitto ihn für einen Fall anforderten.
    »Mel, wie schön, dass du Zeit hast.«
    »Hm. Dass ich Zeit habe? … Hast du nicht meinen Lieutenant
angerufen und ihm allerlei schreckliche Konsequenzen angedroht für den Fall, dass er mich nicht von dem Hanover-Sterns-Fall freistellen würde?«
    »Das habe ich für dich getan, Mel. Man hat dein Talent an Insidergeschäfte verschwendet.«
    »Und dafür bin ich dir dankbar.«
    Cooper nickte den anderen grüßend zu, schob seine Harry-Potter-Brille höher die Nase hinauf und ging mit leisen braunen Halbschuhen zum Untersuchungstisch hinüber. Obwohl der Techniker alles andere als sportlich wirkte, bewegte er sich leichtfüßig wie ein Sprinter, und Rhyme musste daran denken, dass er schon so manchen Tanzwettbewerb gewonnen hatte.
    »Lass uns loslegen«, sagte Rhyme zu Sachs.
    Sie zog ihre Notizen zurate und erklärte, was sie von dem Gebietsleiter des Energieunternehmens erfahren hatte.
    »Die Algonquin Consolidated Power beliefert nahezu die gesamte Region mit Strom – oder ›Saft‹, wie die es nennen. Pennsylvania, New York, Connecticut, New Jersey.«
    »Sind das die hohen Schornsteine am East River?«, fragte Cooper.
    »Genau«, bestätigte Sachs. »Dort stehen die Zentrale und außerdem ein Elektrizitäts- und Heizkraftwerk. Deren Mann

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