Opferlämmer
amüsiere er sich prächtig über die anschaulich geschilderte Folterung eines Studenten, der seine Drogen nicht pünktlich bezahlen konnte. Dann kam der Zugriff, und nach einer verbüßten Haftstrafe sowie einigen Verhandlungen wurde der Mann einer von Dellrays Spitzeln.
Fred hielt ihn an einer kurzen Leine, an der er hin und wieder kräftig rucken musste.
»Es war Jeep. Aber ich hab ihn ändern lassen, Fred. Jetzt heiße ich Jim.«
Veränderungen . Das Zauberwort des Tages.
»Ach, wo wir gerade bei Namen sind: ›Fred … Fred ‹? Bin ich etwa dein Kumpel, dein bester Freund? Daran kann ich mich ja gar nicht erinnern. Hab ich mich auf deiner Tanzkarte eingetragen und deine Eltern kennengelernt?«
»Verzeihung, Sir.«
»Ich sag dir was: Bleib bei ›Fred‹. Wenn du ›Sir‹ sagst, glaub ich dir kein Wort.«
Der Mann war ein abscheuliches Subjekt, aber Dellray hatte gelernt, auf einem schmalen Grat zu balancieren. Man durfte keine Verachtung zeigen, gleichzeitig aber nicht zögern, die Daumenschrauben anzuziehen und Angst einzuflößen.
Angst bewirkt Respekt. So ist das nun mal.
»Hör gut zu. Es ist wichtig. Du hast demnächst einen Termin, wenn ich mich recht entsinne.«
Eine Anhörung vor dem Bewährungsausschuss zwecks Bewilligung des Wechsels in einen anderen Gerichtsbezirk. Dellray machte es nichts aus, den Mann zu verlieren. Jeep war ihm ohnehin kaum noch von Nutzen. Informanten hatten die Haltbarkeit von frischem Joghurt. Jeep-Jim wollte von New York nach Georgia ziehen. Ausgerechnet.
»Falls Sie ein gutes Wort für mich einlegen könnten, Fred, Sir, dann wäre das großartig.« Er sah den Agenten aus großen wässrigen Augen an.
Die Wall Street sollte sich ein Beispiel an der Welt der heimlichen Informanten nehmen. Keine Derivate, keine Termingeschäfte, keine Versicherungen, keine frisierten Bilanzen. Es war ganz einfach. Du gabst deinem Spitzel etwas im Wert von X, und er gab dir etwas genauso Wichtiges.
Falls er nichts zu bieten hatte, war er aus dem Rennen. Falls du keine Gegenleistung brachtest, bekamst du nur Scheißdreck.
»Okay«, sagte Dellray. »Was du willst, wäre damit geklärt. Jetzt zu dem, was ich will. Und ich sage gleich, es ist eilig. Du weißt, was das heißt, Jim?«
»Jemand kriegt Ärger, und zwar bald.«
»Ganz genau. Also hör gut zu. Ich muss Brent finden.«
Eine Pause. »William Brent? Woher soll ich wissen, wo der steckt?« Jeep-Jim war ein gerissener Hund, aber seine Stimme hob sich ein wenig zu sehr, was Dellray verriet, dass der Spitzel zumindest eine ungefähre Ahnung hatte, wo der Mann war.
»Georgia’s on my mind«, sang Dellray.
Es vergingen volle sechzig Sekunden, während denen Jeep innere Zwiesprache hielt.
»Ich meine, vielleicht könnte ich … die Sache ist die, es bestünde die Möglichkeit …«
»Werden das ganze Sätze, oder sind sie noch zu klein?«
»Lassen Sie mich was überprüfen.«
Jeep-James-Jim stand auf, ging in eine Ecke des Lokals und fing an, eine SMS zu verfassen. Es amüsierte Dellray, dass der Mann fürchtete, er könne die Textnachricht mitlesen. Mit dieser Paranoia würde Jeepy-Boy sich in Georgia bestimmt gut einleben.
Dellray nippte an dem Glas Wasser, das die Kellnerin ihm gebracht hatte. Er hoffte, der dürre Kerl würde mit seinem Vorhaben Erfolg haben.
William Brent zählte zu den Prunkstücken von Dellrays Spitzelkollektion. Er war ein unsportlicher Weißer mittleren Alters und sah wie ein Supermarktkassierer aus. Und er war die Schlüsselfigur bei der Aufdeckung einer ziemlich unerfreulichen Verschwörung gewesen. Eine einheimische Terrorgruppe – Rassisten und Separatisten – hatte geplant, an einem Freitagabend mehrere Synagogen zu sprengen und die Anschläge islamistischen Fundamentalisten in die Schuhe zu schieben. Die Leute verfügten über Geld, aber nicht über die nötigen Mittel, also wandten sie sich an eine ortsansässige Familie des organisierten Verbrechens, die ebenfalls nicht viel für Juden oder Moslems übrighatte. Brent erhielt von der Familie den Auftrag, die Beschaffung
zu übernehmen, und fiel dabei auf Dellray herein – einen vermeintlichen Waffenhändler aus Haiti, der raketengetriebene Granaten anzubieten hatte.
Brent wurde verhaftet, und Dellray konnte ihn umdrehen. Der Mann erwies sich als echte Überraschung, denn er beherrschte das Spitzelhandwerk, als hätte er sich sein Leben lang darauf vorbereitet. Es gelang ihm, sowohl die Rassistengruppe als auch die Familie bis in die
Weitere Kostenlose Bücher