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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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vor Ort hat gesagt, unser Täter könnte irgendwann während der letzten sechsunddreißig Stunden in das Umspannwerk eingedrungen sein und seine Vorrichtung montiert haben. Diese Stationen sind meistens unbemannt. Heute Vormittag um kurz nach elf hat er sich dann in die Computer der Algonquin gehackt, mehrere benachbarte Umspannwerke abgeschaltet und den gesamten Strom durch die Station an der Siebenundfünfzigsten Straße umgeleitet. Wenn Spannung eine gewisse Stärke erreicht, muss sie einen Kreis schließen. Das ist unausweichlich. Sie springt über – entweder auf ein anderes Kabel oder auf etwas, das geerdet ist. Normalerweise würden vorher die Trennschalter
des Umspannwerks ausgelöst, aber der Täter hatte die Einstellungen auf einen zehnfach höheren Wert gesetzt. Daher baute sich in diesem Ding da« – sie zeigte auf das Kabel – »gleichsam ein immer höherer Druck auf. Wie bei einem Damm. Irgendwann wurde die Belastung zu groß und musste sich ein Ventil suchen. Ich zeichne mal kurz auf, wie das Stromnetz in New York funktioniert. Einer der Arbeiter hat es für mich skizziert, und das war wirklich hilfreich.« Sachs zog ein Stück Papier aus der Tasche und übertrug die Notizen mit einem dunkelblauen Filzstift auf eine der weißen Wandtafeln.

    »In MH-Zehn, dem Umspannwerk an der Siebenundfünfzigsten, stehen Mittelspannungstransformatoren«, fuhr Sachs fort. »Der Strom wird durch eine Hochspannungsleitung zugeführt. Unser Täter hätte versuchen können, sein Kabel direkt an eine solche Leitung anzuhängen, aber das ist ziemlich kompliziert. Ich schätze mal, wegen der hohen Spannungswerte. Also hat er sich auf der Ausgangsseite des Umspannwerks zu schaffen gemacht, wo die Spannung nur noch dreizehntausendachthundert Volt beträgt.«

    »Puh«, murmelte Sellitto. »Nur noch.«
    »Als alles installiert war, hat er die Werte der Trenner hochgesetzt und die Station mit Saft geflutet.«
    »Bis zur Entladung«, sagte Rhyme.
    Sachs nahm eine Beweismitteltüte voller tränenförmiger Metallstückchen. »Bis zur Entladung«, wiederholte sie. »Die lagen da überall herum. Wie Schrapnellsplitter.«
    »Was ist das?«, fragte Sellitto.
    »Geschmolzene Tropfen aus dem Pfosten des Haltestellenschilds. Sie wurden herausgesprengt und haben kleine Krater im Beton hinterlassen. Das Blech einiger Autos wurde glatt durchschlagen. Der Tote hat zwar Verbrennungen erlitten, aber daran ist er nicht gestorben.« Ihre Stimme wurde sanft. »Es war wie der Schuss aus einer großen Schrotflinte. Die Wunden wurden kauterisiert.« Sie verzog das Gesicht. »Er war noch eine Weile bei Bewusstsein. Seht es euch selbst an.« Sie nickte Pulaski zu.
    Der Beamte steckte die Speicherkarten in einen der Computer und legte Verzeichnisse für den neuen Fall an. Gleich darauf öffneten sich auf den hochauflösenden Monitoren zahlreiche Fotos. Im Laufe seiner vielen Berufsjahre hatte Rhyme sich an schreckliche Anblicke gewöhnt; diese hier jedoch gingen ihm trotzdem nahe. Der Körper des jungen Mannes war regelrecht durchlöchert worden. Es gab kaum Blut, weil die Metallstückchen glühend heiß gewesen waren. Hatte der Täter gewusst, dass seine Waffe so etwas anrichten würde? Dass die Opfer bei Bewusstsein bleiben und den Schmerz spüren würden? Gehörte das zu seinem Plan? Rhyme verstand nun, wieso Sachs so mitgenommen wirkte.
    »Mein Gott«, flüsterte der massige Detective.
    Rhyme wandte den Blick ab. »Wer war er?«, fragte er.
    »Er hieß Luis Martin. Stellvertretender Geschäftsführer in einem Plattenladen. Achtundzwanzig. Keine Vorstrafen.«
    »Keine Verbindung zur Algonquin, den öffentlichen Verkehrsbetrieben
… irgendein Grund, dass jemand seinen Tod wollen würde?«
    »Nein, nichts«, sagte Sachs.
    »Zur falschen Zeit am falschen Ort«, fasste Sellitto zusammen.
    »Ron«, sagte Rhyme. »Was haben Sie in dem Café gefunden?«
    »Gegen zehn Uhr fünfundvierzig ist ein Mann in einem dunkelblauen Overall hereingekommen. Er hatte einen Laptop dabei und ist online gegangen.«
    »Ein blauer Overall?«, fragte Sellitto. »Gab es ein Logo oder eine Aufschrift?«
    »Darauf hat niemand geachtet. Aber die Arbeitskleidung der Algonquin-Leute dort war ebenfalls dunkelblau.«
    »Wie lautet die Personenbeschreibung?«, fragte der zerknitterte Cop.
    »Wahrscheinlich ein Weißer, wahrscheinlich Mitte vierzig, Brille, dunkle Baseballmütze. Zwei Leute meinten, keine Brille, keine Mütze. Blond, rothaarig, dunkelhaarig.«
    »Zeugen«, murmelte

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