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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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später verließen sie den Saal auf der anderen Seite und hängten ihre Helme auf. Sachs atmete tief durch. Im Korridor war es zwar immer noch warm, aber nach dem Aufenthalt in der Hölle kam es ihr wohltuend kühl vor.
    »Das nimmt einen ganz schön mit, nicht wahr?«
    »Allerdings.«
    »Geht es Ihnen gut?«
    Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und nickte. Er gab ihr ein Papiertuch von einer Rolle, die genau zu diesem Zweck dort zu liegen schien, und Sachs trocknete sich Hals und Gesicht ab.
    »Gehen wir.«
    Er führte sie durch weitere Flure und in ein anderes Gebäude. Dann kamen wieder einige Treppen, und endlich erreichten sie sein Büro. Beim Anblick der Unordnung hätte Amelia beinahe laut aufgelacht. Der Raum war voller Computer und Instrumente, die Sachs nicht kannte, dazu Hunderte von Kleinteilen und Werkzeugen, Drähten, elektronischen Komponenten, Tastaturen sowie Gegenständen aus Metall, Plastik und Holz in allen nur denkbaren Formen und Farben.
    Und Junkfood. Tonnenweise Junkfood. Chips und Brezeln und Limonade. Kekse mit Cremefüllung und Donuts mit Puderzucker, was die Krümel auf Sommers’ Kleidung erklärte.
    »Bitte verzeihen Sie. Aber so arbeiten wir hier bei den Sonderprojekten nun mal«, sagte er und schaufelte Computerausdrucke von einem Bürostuhl, damit Amelia sich setzen konnte. »Nun ja, ich zumindest.«
    »Was genau machen Sie eigentlich?«
    Er erklärte etwas verlegen, er sei ein Erfinder. »Ich weiß, das klingt entweder nach neunzehntem Jahrhundert oder ziemlich banal, aber das ist es, was ich tue. Und ich bin ein echter Glückspilz. Ich verdiene mein Geld nämlich genau mit dem, was ich
schon als Kind wollte, als ich mir Dynamos gebaut habe: Motoren, Glühbirnen …«
    »Sie haben sich eigene Glühbirnen gebastelt?«
    »Und damit zweimal mein Zimmer in Brand gesetzt. Na ja, dreimal, aber wir mussten nur zweimal die Feuerwehr rufen.«
    Sie musterte ein Foto von Edison, das an der Wand hing.
    »Mein Held«, sagte Sommers. »Ein faszinierender Mann.«
    »Andi Jessen hatte auch irgendwas von ihm an der Wand. Ein Schaubild des Netzes.«
    »Es trägt seine echte Unterschrift … Aber Jessen ist eher wie Samuel Insull, würde ich sagen.«
    »Wie wer?«
    »Edison war der Wissenschaftler. Insull war ein Geschäftsmann. Er hat die Consolidated Edison geleitet und aus ihr den ersten großen Strommonopolisten gemacht. Er hat die Straßenbahn von Chicago elektrifiziert und die ersten mit Strom betriebenen Geräte – zum Beispiel Bügeleisen – praktisch verschenkt, um die Leute vom Strom abhängig zu machen. Er war ein Genie. Aber am Ende ist er gescheitert. Klingt das nicht irgendwie vertraut? Er war überschuldet, und als die Große Depression kam, ging die Firma unter, und Hunderttausende von Anteilseignern verloren alles. Ein wenig wie bei Enron. Wollen Sie mal was Witziges hören? Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen hatte sowohl mit Insull als auch mit Enron zu tun. Aber was mich angeht, ich überlasse das Geschäftliche anderen Leuten und beschränke mich auf meine Entwürfe. Aus neunundneunzig Prozent wird nichts. Doch… nun ja, auf meinen Namen sind achtundzwanzig Patente angemeldet, und ich habe für die Algonquin knapp neunzig Verfahren oder Produkte entwickelt. Manche Leute haben Spaß daran, vor dem Fernseher zu sitzen oder Videospiele zu spielen. Ich … tja, ich erfinde Dinge.«
    Er deutete auf einen großen Karton voller Quadrate und Rechtecke aus Papier.

    »Das ist die Servietten-Akte.«
    »Die was?«
    »Oft sitze ich bei Starbucks oder in einem Imbiss und habe plötzlich eine Idee. Dann notiere ich sie mir auf einer Serviette und komme her, um den Entwurf auszuarbeiten. Die ursprüngliche Notiz behalte ich und werfe sie in den Karton.«
    »Falls man also jemals ein Charlie-Sommers-Museum errichtet, wird es dort einen Serviettenraum geben.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht.« Sommers wurde rot, von der Stirn bis zum weichen Kinn.
    »Was genau erfinden Sie denn?«
    »Ich schätze, mein Fachgebiet ist das Gegenteil von dem, was Edison gemacht hat. Er wollte, dass die Leute Strom verbrauchen. Ich möchte, dass die Leute Strom sparen.«
    »Weiß Ihre Chefin davon?«
    Er lachte. »Vielleicht sollte ich lieber sagen, ich möchte, dass die Leute den Strom effizienter nutzen. Ich bin Algonquins Negawatt-Spezialist. ›Nega‹ mit n .«
    »Davon habe ich noch nie gehört.«
    »Das Konzept ist leider den meisten Leuten unbekannt. Es stammt von einem

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