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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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zu meinem Besten, als hätte ich ihrer Meinung nach ein Recht darauf, zu wissen, was für eine Art Mensch mein Vater ist. Und ich ahnte ja auch schon etwas. Ich konnte es mir nur nicht eingestehen. Ich wollte es nicht glauben.»
    Vera hörte, wie Emma sich immer mehr ins Dramatische steigerte. Sie konnte es wirklich kaum noch erwarten, ihnen allen den Rücken zu kehren.
    «Hast du sie umgebracht?», fragte Robert.
    Emma sah ihn an, als wäre er verrückt geworden. «Ich? Natürlich nicht. Glaubst du wirklich, ich könnte so was tun?»
    Darauf gab er keine Antwort.
    «Verschwinde», sagte sie.
    Robert stand auf, schien aber noch etwas sagen zu wollen. Sie wandte sich von ihm ab.
    «Ich rufe jetzt James an», sagte er. «Um ihm auszurichten, dass er kommen soll.» Es war, als hätte er gar nichts gesagt. Er sah alle an, wartete auf eine Reaktion. Sogar Mary schien nicht mehr zu wissen, dass er da war. Er ging aus der Küche. Ashworth schlüpfte ihm hinterher.

Kapitel fünfundvierzig
    Vera räusperte sich. Sie hatte genug gehört. Es war Zeit, die Sache wieder in die Hand zu nehmen. Für gewöhnlich liebte sie es, im Mittelpunkt zu stehen, aber heute Abend konnte sie keine rechte Lust dazu aufbringen.
    «Robert hat Abigail nicht umgebracht», sagte Vera. «Am Anfang dachte ich das zwar, aber er kann es nicht gewesen sein. Es hätte nicht hingehauen. Sie alle haben Caroline Fletcher den Sonntag damals beschrieben. Ihre Aufzeichnungen sind nicht gerade meisterhaft, aber das hat sie sich doch notiert. Emma, Sie und Ihr Vater waren beide hier drinnen und haben abgewaschen.» Sie hielt inne. «Wie hat Christopher es eigentlich geschafft, sich ums Mithelfen zu drücken?»
    «Wahrscheinlich hat er behauptet, er müsste noch Hausaufgaben machen. Normalerweise hatte er sonntags nach dem Essen immer etwas Dringendes für die Schule zu tun, damit er nicht mithelfen musste.» Emma sah Vera über den Tisch hinweg misstrauisch an.
    Vera blickte zurück. «Christopher war sonntagnachmittags also immer oben?»
    «Ja.»
    «Und Ihre Mutter war immer im Wohnzimmer und las Zeitung. So lief der Sonntag für gewöhnlich ab. Sie kochte, und dann gönnten Sie ihr etwas Ruhe. Keiner von Ihnen hätte sie je gestört.»
    «Sie hatte etwas Zeit für sich verdient. Das haben wir alle respektiert.»
    «Oh, wir alle verdienen etwas Ruhe.» Selbst ich. Selbst eine alte Kommissarin, die ihr Leben damit verbringt, ihre Nase in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken. Vera sah die beiden Frauen an und dachte auf einmal, dass sie einen furchtbaren Fehler gemacht, sich vollends geirrt hätte. Dann kam ihr Selbstvertrauen ebenso plötzlich wieder, wie es sie verlassen hatte. Na los jetzt, dachte sie. Ich sollte es hinter mich bringen.
    «Aber an jenem Tag fanden Sie keine Ruhe, Mary, nicht wahr? Sie haben gewartet, bis Robert und Emma das Geschirr spülten, und sind dann rausgegangen, durch die Tür, die in den Garten führt. Sie hatten ein Treffen mit Abigail vereinbart. Wie haben Sie das geschafft, Mary? Haben Sie ihr ein Briefchen geschickt und so getan, als wären Sie Robert?»
    «Ich habe nicht geglaubt, dass sie kommen würde», sagte Mary.
    «Was ist mit dem Briefchen passiert? Es ist nie gefunden worden.»
    «Sie hatte es dabei, als wir uns trafen. Hat mir damit voller Hohn entgegengewedelt. Ich habe es ihr aus der Hand gerissen.»
    «Ich bin überzeugt, dass Sie nicht vorhatten, das Mädchen umzubringen. Sie dachten, Sie könnten vernünftig mit ihr reden. Sie wollten ihr erklären, dass Robert ein guter Mann ist, der viel zu verlieren hat. Sie wollten ihn beschützen.Sie waren mehr wie eine Mutter zu ihm als wie eine Ehefrau, oder nicht? Es kam Ihnen ungerecht vor, dass Sie so ein Leben führen mussten. Die Familie zusammenhalten, in der Gemeinde den Schein wahren. Einen weiteren Umzug hätten Sie als Familie nicht überstanden.»
    Erstmals an diesem Abend saß Mary vollkommen ruhig da. Wie aus Wachs geschnitzt. Sie starrte vor sich hin und gab keine Antwort.
    «Aber Abigail war noch nie vernünftig gewesen. Sie war verstört und eigensinnig. Stiftete für ihr Leben gern Unruhe. Wahrscheinlich war sie hocherfreut, Sie zu treffen. Noch jemand, der ihr als Publikum diente. Hat sie angegeben mit der Macht, die sie über Robert besaß? Das muss ein Riesenspaß für sie gewesen sein. Hat sie gelacht?»
    «Ja», sagte Mary, «sie hat gelacht.»
    «Und sie wollte nicht aufhören?»
    Immer noch erwartete Vera, dass Mary sich weigern würde, ihr zu

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