Opferspiel: Thriller (German Edition)
Kamera und Tonbandgerät Standard geworden waren.
Skinny räusperte sich, sah sich um, wo er hinrotzen konnte, fing das warnende Funkeln in Sextons Blick auf und schluckte.
»Die Adresse?«
»Weiß ich nicht mehr, Kumpel.«
»Uhrzeit?«
»Mit der Zeit hab ich’s nicht so.«
»Und dann?«, drängte Sexton.
»Dann hab ich ein Messer genommen und …«
»Warte …« Sexton zündete sich eine Zigarette an. »Wo hattest du das Messer her?« Das Rauchverbot wurde in den Gefängnissen und bei Verhören nicht sehr streng gehandhabt, das heißt, man drückte beide Augen zu, wenn es darum ging, Häftlinge zum Reden zu bringen.
Er kehrte Skinny den Rücken zu und sah aus dem Fenster. Der Endbahnhof der städtischen Busse lag direkt ge genüber, das Zollgebäude ein Stück weiter hinten, mit einer diamantförmigen Skulptur aus Spiegelglas auf dem Vorplatz, und ein paar hübsche Restaurants hatten in letzter Zeit auch in der Gegend aufgemacht. Nicht, dass er groß essen ging, seit Maura tot war. Das würde ihm nur vor Augen führen, wer nicht bei ihm war. Sie hatten in einer Kirche gleich um die Ecke von hier geheiratet, und dort war auch der Trauergottesdienst abgehalten worden. »Durch ihre eigene Hand«, hatte der Arsch von Pfarrer dauernd gesagt. Als ob man ihn daran erinnern müsste …
»Ich hab die Klinge von einem Kollegen gekriegt und …«
»Wie heißt der ›Kollege‹?«, fragte Sexton dazwischen.
»Ich werd doch nicht meine Kumpels verpfeifen – vergiss es, Mann.«
»Du hast also das Messer genommen, das dein anonymer Freund dir gegeben hat, und dann hast du …«
»Anonü was?«
»Wie ging’s weiter?«
»Dann, als ich Crawley gesehen hab, bin ich ihm nachgegangen. Crawley war ein Wichser. Ein Großmaul, ein Verräter. Er hat’s herausgefordert, und ich hab dafür gesorgt, dass er kriegt, was er verdient. Deshalb hab ich ihm auch die Zähne eingehauen.«
»Und du kannst dich nicht erinnern, wo das war?«, hakte Sexton nach.
»In einem von den alten Lagerhäusern.«
»Wofür wird es benutzt?«
»Für nix, ist ’ne Crackhöhle.« Skinny blies sich auf und fuhr fort: »Die Schlampe, die sie neulich umgebracht haben, hat dort gehaust. Nicht mal die obdachlosen Penner wollen da wohnen. Ist ein Drecksloch.«
Sexton drehte sich langsam um. Hatte diese Null gerade zwei Mordopfer demselben Tatort zugeordnet? »Ach ja?« Er sah den uniformierten Beamten an. »Du kannst ihm jetzt seinen Tee holen.«
»Sehr gut«, rief Skinny dem Hinausgehenden nach. »Habt ihr auch Kekse? Lieber HobNobs als Jersey Creams, wenn’s geht. Bei euch Bullen gibt’s immer nur Jersey Creams.«
Sexton nahm seinen Klappstuhl und zog ihn an die Schmalseite des Tisches. Weniger frontal , dachte er. Er lehnte sich bequem zurück, streckte die Beine aus und rauchte ein paar Züge, stellte dann die Kippe senkrecht auf dem Filter ab, sodass die Asche sich auftürmte. Ein alter Trick, so flog kein Flöckchen herum, es sei denn, jemand warf sie um. Jetzt ganz locker bleiben. Sobald er merkt, dass ich interessiert bin, wird er anfangen, Spielchen zu spielen .
»Du hast von Stuart Ball gehört oder Git, wie er wohl genannt wurde?«
Skinny nickte. »Der und die Nutte waren mal zusammen, als sie noch als Lapdancer gearbeitet hat, bevor sie richtig schlimm auf H kam. Hab gehört, die beiden haben mal für einen Tag ein Kind entführt und es in dem Lagerhaus gefangen gehalten, wo ich Crawley erstochen hab. Die Junkies haben alle darüber geredet. Ganz schön krank so was. Würde mich nicht wundern, wenn Git und seine Tusse deswegen kaltgemacht wurden.«
»Wann war das genau, kannst du dich erinnern?«
Skinny setzte zu einer Antwort an, doch dann hob er die Hand und rieb mit dem Daumen gegen die Fingerkuppen. »Das kostet dich was.«
Sexton griff in die Innentasche seiner Jacke, um sein Portemonnaie herauszuholen, ließ es jedoch bleiben, als der Beamte mit vollen Händen wieder hereinkam und einen Plastikbecher zusammen mit einem Pappteller voller Mini-Jaffas vor Skinny hinstellte.
»Nee, diese klebrigen Lidl-Dinger kann ich nicht essen, Mann, davon werden meine Zähne locker.«
Der Beamte deutete mit dem Kopf zur Tür. Sexton zögerte, folgte ihm dann aber hinaus, während Skinny den ersten Schluck Tee spuckend im Raum verteilte. »Verdammte Scheiße, man kann doch Tee nicht in der Mikrowelle kochen, das ist ein verdammtes Verbrechen, Mann!«, brüllte er.
»Was gibt’s?«, fragte Sexton den Kollegen ungeduldig im Flur.
»Du
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