Opferspiel: Thriller (German Edition)
gut, du schaffst das, komm zu Mummy.«
Harry brachte noch ein paar Schritte zustande und taumelte in ihre Arme. Jo zog ihn an sich und bedeckte seinen Flaumschopf mit Küssen. Gott sei Dank! Sie schloss die Augen und wiegte ihn hin und her. Gott sei Dank habe ich das nicht verpasst!
Der Rauchmelder zerriss den Moment mit seiner schrillen Warnung. Harry noch im Arm, rannte Jo zum Ofen und schaltete alles aus, schnappte sich dann ein Geschirrtuch, mit dem sie wie wild unter dem Alarm herumwedelte. Schließlich erschien Rory und kletterte auf einen Küchenstuhl, um das ohrenbetäubende Heulen abzustellen.
»Wo warst du?«, fragte Jo und schwang Harry hoch in die Luft. »Dein kleiner Bruder hier hat nämlich gerade angefangen zu laufen, stimmt’s, mein Engel?«
»Dachte, ich helf dir mal, den Garten in Ordnung zu bringen«, sagte Rory. Er wuschelte Harry durch die Haare und zeigte ihr den Treibstoff für den Rasenmäher. »Je weniger Zeit Dad damit zubringen muss, desto besser für uns alle.«
»Rory«, mahnte Jo und setzte Harry ab. »Dass Dad wieder hier einzieht, heißt nicht …«
Es klingelte an der Tür. Sie hielt Rory davon ab hinzugehen, und als sie selbst aufmachte, wusste sie gleich, wo sie den schwarzen Regenmantel schon einmal gesehen hatte.
»Hallo, wir kennen uns, ich bin Linda von der Mail «, sagte die Frau in aufdringlichem Ton. »Kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«
»Auf keinen Fall«, erwiderte Jo und wollte die Tür schließen.
»Woher nehmen Sie noch die Zeit für die Familie, wenn ein Serienmörder in der Stadt wütet?«, fragte die Reporterin mit einem Blick auf den krabbelnden Harry hinter Jo.
Jo bemerkte, wie die Frau ein Stück zur Seite trat, und entdeckte ein Auto vor der Auffahrt, aus dem ein langes Objektiv ragte, gestützt auf den Seitenspiegel der Fahrerseite.
»Pass auf deinen kleinen Bruder auf, Sohn«, wies Jo Rory an, bevor sie die Haustür hinter sich zuzog, die Paparazza wegstieß und auf das Auto losstürmte.
»Was zum Teufel denken Sie sich dabei?«, rief sie und rang mit dem Fotografen um die Kamera. »In diesem Land gibt es so etwas wie ein Recht auf Achtung der Privatsphäre.«
»Wenn Sie die kaputt machen, wird das teuer für Sie«, warnte er.
Sie entzifferte seinen Namen auf einem stumpfen, zerkratzten Goldarmband – Darryl. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Darryl …«
»Warum klemmen Sie sich nicht hinter Ihren Job und lassen uns unseren machen?« Linda war ihr zum Auto gefolgt. »Sie haben das Land doch in Alarmzustand versetzt und verkündet, dass irgendein Psychopath heute wieder zuschlagen würde. Und jetzt sitzen Sie gemütlich zu Hause. Haben Sie keine Überstunden genehmigt bekommen? Ist das Kindermädchen krank? Hier sterben Menschen, wissen Sie!«
»Verschwinden Sie, Darryl, ehe ich Sie anzeige, und nehmen Sie die mit«, knurrte Jo.
»Wegen was?«, fragte Darryl aggressiv.
»Unbefugtes Betreten und Herumlungern mit kriminellen Absichten, für den Anfang.«
»Komm, Linda, sie ist es nicht wert«, sagte Darryl.
»Eine Sekunde mal, woher haben Sie meine Privatadresse?« Jo beugte sich ins Fenster.
Linda sah sie an, und Jo dachte, sie wollte etwas sagen. Doch dann ließ Darryl den Motor aufheulen, und sie stieg ein.
Kopfschüttelnd ging Jo zurück ins Haus. »Lass den Garten erst mal Garten sein«, beschied sie Rory. »Und hol deine Jacke. Wir essen auswärts.«
In dem Fast-Food-Lokal der Eddie-Rocket’s-Kette besserte sich Jos Laune wieder, als Harry vergnügt an einer käseklebrigen Pommes zu saugen begann. »Dein Vater und ich haben uns nicht ohne Grund getrennt. Wir sind nicht mehr miteinander klargekommen«, sagte sie zu Rory.
Rory schlürfte Cola durch drei Strohhalme. Immer noch ein Kind, dachte sie.
»Wir hatten unser Aufklärungsgespräch schon vor ein paar Jahren, Mutter. Das war peinlich genug.«
»Ich will damit nur sagen, das Leben geht weiter. Dad hat jetzt Jeanie.«
»Aber du hast niemanden«, bemerkte Rory.
»Noch nicht.«
»Soll das heißen, du bist auf der Suche?«
»Natürlich bin ich das«, log Jo.
Rory sah aus dem Fenster und zeigte den Stinkefinger.
»Rory!«, tadelte Jo. Sie drehte sich besorgt um und sah Linda und Darryl, die draußen geparkt hatten und ihre Kamera direkt auf sie richteten. Selbstzufrieden war gar kein Ausdruck für ihre Mienen. Sie zeigte ihnen ebenfalls den Finger.
Die Kamera fing auch das ein.
»Jetzt bin ich nicht nur eine miese Polizistin, sondern auch noch eine Mutter, die ihre Kinder
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