Opferspiel: Thriller (German Edition)
Inspector, das gilt auch und gerade für die Justiz.«
Er gab ihr die Hand. Widerstrebend schüttelte Jo sie.
»Eine Sache noch«, sagte sie, ehe sie ausstieg. »Ihr absoluter Lieblingsmaler ist Constable – habe ich recht?«
Er runzelte die Stirn. »Turner«, sagte er.
Sexton und Foxy warteten neben dem Mercedes auf dem Bürgersteig.
»Heute Nachmittag, wenn ich das Signal gebe, aber nicht vorher, nehmen wir unsere erste Verhaftung vor«, verkündete Jo.
Als sie ihnen den Namen sagte, lachten sie laut.
49
Bevor sie das Gefängnisgelände verließen, verteilte Jo noch Aufträge an Foxy und Sexton. Foxy sollte alle Prostituierten, die im Laufe des letzten Jahres Verwarnungen wegen Ansprechens von Männern bekommen hatten, aufs Revier bringen und Sexton Stuart Balls Mutter, damit Jo sie selbst befragen konnte. Sie winkte den beiden ein Taxi herbei und konfiszierte Sextons BMW, um damit zum Crumlin-Krankenhaus zu fahren.
»Keine Sorge, ich pass gut auf ihn auf«, sagte sie.
Er stöhnte, als sie den Motor hochjagte.
»Entspannen Sie sich«, rief sie grinsend, während sie hopsend davonstotterte, ein Trick, den sie perfektioniert hatte, als Dan ihr das Fahren beibrachte.
Nach Auskunft des Mädchens am Informationsschalter des Krankenhauses lag Katie Freeman im zweiten Stock. Jo erspähte Ryan Freeman, kaum dass sie den Türöffner zur Station gedrückt hatte. Er stand in dem schmalen Flur, der mit Disneyfiguren bemalt war, und sprach mit einem Arzt im weißen Kittel. Das Gespräch endete, bevor Jo ihn erreicht hatte, doch er rührte sich nicht von der Stelle, anscheinend in Gedanken versunken.
»Was zum Teufel …?«, hob er an, als er sie sah.
Jo blieb stehen und sah ihn müde an.
»Jetzt belästigen Sie schon kranke Kinder, ja?«, empörte sich Ryan. »Aber meines nicht, das sage ich Ihnen. Schwester!«
Eine Krankenschwester spähte um die Ecke des Stations zimmers und kam herbei.
»Auf die leichte oder die harte Tour?«, fragte Jo, dicht an ihn herantretend. »Leicht heißt, ich gehe kurz zu Katie hinein und verschaffe mir einen Eindruck, damit ich weiß, woran ich bin. Man weiß nie, vielleicht nützt es ja was. Die Alternative wäre für mich ziemlich leicht, aber hart für Sie. Ich handele nach Vorschrift, besorge mir einen auf Sie ausgestellten Haftbefehl, und die Sache macht Schlagzeilen. Was glauben Sie, wie lange Sie Katies Schicksal dann noch geheim halten können? Denn obwohl viel dafür spricht, denke ich nicht, dass Sie etwas mit den Morden zu tun haben.« Sie machte eine Kunstpause. »Ich weiß allerdings nicht, ob andere das auch so sehen werden.«
»Was ist hier los?«, wollte die Schwester wissen.
Jo wartete.
»Nichts«, sagte Ryan und blickte zu Boden. »Tut mir leid, dass ich Sie bemüht habe.«
»Ich habe Sie doch heute Morgen im Fernsehen gesehen, oder? Im Zusammenhang mit diesen Mordfällen«, sagte die Schwester zu Jo. »Sie sind von der Polizei. Sie dürfen hier nicht ohne Bevollmächtigung herein.«
»Sie gehört zur Familie«, behauptete Ryan.
Die Schwester machte ein skeptisches Gesicht, wurde aber von ein paar lärmenden Kindern in Schlafanzügen abgelenkt, die sie zurück in das Spielzimmer am Ende des Gangs scheuchte.
»Ich warne Sie«, sagte Ryan, als er Jo zu Katies Zimmer führte. »Wenn Sie meine Tochter in irgendeiner Weise aufregen …«
Ein krankes Kleinkind lag in einem Kinderbettchen an der rechten Wand. Jo atmete tief durch. Besuche im Krankenhaus waren ihrer Ansicht nach immer gut geeignet, um einen auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen – man merkte wieder, wie unsicher das Leben war, wie leicht einem alles genommen werden konnte, wie unbedeutend die alltäglichen Sorgen wurden, wenn man sie mit dem verglich, was manche Menschen durchmachten. Aber eine Kinderstation, das war noch einmal etwas ganz anderes. Wie würde man damit fertigwerden, wenn einen ein solcher Schlag traf? Und warum sollte er einen nicht treffen und immer nur die anderen? Wie die meisten Leute verdrängte sie solche Gedanken – bis ein Tag wie dieser kam und einem Schicksalsschläge deutlich vor Augen führte.
»Schatz«, sagte Ryan, der zu dem Bett am Fenster gegangen war, in dem Katie teilnahmslos saß. »Das hier ist eine Dame, die mit mir zusammenarbeitet.«
Katie sah nicht auf.
Jos Gesicht wurde sanft. Katies blonde Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten, und nur ein paar feine, lose Strähnen ringelten sich in die Stirn. Über einem Schlafanzug mit
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