Opferspiel: Thriller (German Edition)
neben dem Schaufenster zugingen. »Ich habe ihn schon so oft zu Hause abgesetzt, oder er hat sich mal bei mir aufs Ohr gehauen, aber er hat mir noch nie auch nur eine Tasse Tee angeboten.«
Nachdem sie einen Zweitschlüssel von dem Geschäftsführer des indischen Restaurants nebenan geholt hatte, der, wie sie wusste, auch der Vermieter war, schloss Jo auf und sah sich einer schmalen Treppe gegenüber.
»Eine Treppe?«, sagte Foxy, ihre Gedanken lesend.
Ein unbemerktes Hin und Her zu einem Parkplatz an der Straße wäre schwierig, wenn nicht gar unmöglich, vor allem, wenn Sexton einen Menschen hinein- oder hinaustransportierte.
Jo suchte die Fußleisten nach Flecken oder Scharten ab. Nichts. Dann stieg sie die Treppe hinauf und hämmerte an die Tür, stellte fest, dass sie nicht abgeschlossen war, und stieß sie auf.
Es war eine Zweizimmerwohnung von der Sorte, die in Wohnungsanzeigen gern als Studioapartment bezeichnet wird. Spärlich möbliert: ein Sessel vor einem Fernseher, ein Computer auf dem Esstisch. Alles rief verzweifelt nach der Hand einer Frau. Es gab noch nicht mal einen Teppich auf dem kahlen Boden.
»Gott, was für eine triste Bude«, bemerkte Foxy. »Hier würde ich nicht mal meinen Hund übernachten lassen. Greift der Staub von dem Estrich nicht die Lunge an?«
»Oder die Nasennebenhöhlen«, antwortete Jo und steuerte auf zwei Türen an der hinteren Wand zu.
»Weißt du noch, wie Maura gestorben ist?«, fragte sie Foxy, als sie die erste Tür öffnete. Dahinter befand sich die Toilette. »Hat sich mit einem Staubsaugerkabel erhängt, stimmt’s?«
Die zweite Tür führte ins Schlafzimmer. Jo steuerte auf den Nachttisch zu und zog die Schubladen auf.
»Meinst du, er hat deswegen keinen Teppich?«, fragte Foxy.
Jo fand eine Kreditkartenquittung und hielt sie ihm hin. Sie stammte von 21.00 Uhr des Vorabends aus einem Wein- und Spirituosenladen und wies den Kauf einer Flasche Rotwein aus.
»Sexton hatte gestern Abend eine dabei, als er zu mir kam, aber es lag auch eine in Macs Mülleimer.«
Foxy nickte. »Ich weiß, wo der Laden ist. Direkt neben dem Internationalen Finanzzentrum. Wo Mac gewohnt hat.«
»Und gestorben ist«, fügte Jo hinzu. Diese Quittung belegte, dass Sexton zur richtigen Zeit in der Nähe des Tatorts war, um als Macs Mörder in Frage zu kommen. Mehr Beweise brauchte sie nicht für einen Haftbefehl.
55
Sexton schob die Glastür auf und betrat den Windfang, klopfte sachte an die Haustür. Er klingelte nie, wenn er die Freemans besuchte, für den Fall, dass Katie schlief.
Dann trat er zurück auf die asphaltierte Auffahrt und sah unter seine Jacke, um sicherzugehen, dass die Schach tel, die er unter den Arm geklemmt hatte, noch gut ver steckt war. Er vermutete, dass Katie diese Barbie im Spring reiterdress schon besaß, aber er hatte keine Zeit gehabt, nach etwas Originellerem zu suchen, weil er bis zum Hals in der Ermittlungsarbeit steckte. Trotzdem war es besser, als mit leeren Händen zu erscheinen. Außerdem zeigte er Ryan und Angie damit, dass Katie für ihn stets an erster Stelle kam, egal, worin sie beide, ob einzeln oder zusammen, letztendlich verwickelt waren.
Ihm war warm, sodass er ein paar Hemdknöpfe aufmachte und die Ärmel hochschob. Er war nur gekommen, weil Ryan ihn per SMS dringend darum gebeten hatte. Er hatte versucht, ihn anzurufen, um ihm zu sagen, dass er auf keinen Fall einfach von der Arbeit weggehen konnte, schon gar nicht, nachdem sie Macs Leiche in den frühen Morgenstunden gefunden hatten, aber Ryan war nicht rangegangen. Auch Angie hatte sich weder mobil noch am Festnetzanschluss gemeldet, also war er von seinem Platz in der Einsatzzentrale aufgestanden und hatte verkündet, dass er mal eben zum Kiosk über die Straße gehe, um sich ein Sandwich zu holen. Dann hatte er sein Handy ausgeschaltet und war ins Auto gesprungen.
Er blickte nervös über seine Schulter und zu beiden Seiten die Straße entlang, stellte sich wieder vor die Haustür. Es war noch früher Nachmittag, und er wusste, weil er zwischendurch kurz sein Handy angemacht hatte, dass noch niemand nach ihm suchte, aber er saß dennoch auf glühenden Kohlen. Letzte Nacht hatte er kein Auge zugetan, nachdem er Mac dort hängen gesehen hatte. Es hatte ihn daran erinnert, wie er Maura gefunden hatte, und das hatte die Büchse der Pandora erst recht geöffnet, und es war eine große Menge hochprozentigen Alkohols nötig gewesen, um sie wieder zu schließen. So oder so, falls Jo
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