Ophran 3 Die entflohene Braut

seltsam. Lord Philmore kennt jeden in London, jedenfalls hatte ich stets diesen Eindruck, wenn wir uns trafen. Er ist Mitglied des höchst exklusiven Marbury Clubs und war auf allen wichtigen Bällen und Gesellschaften der Saison. “
    Daran zweifle ich nicht, dachte Jack gereizt. „Ich komme aus Schottland, Miss Belford. Ich bin nicht oft in London. “ „Ich verstehe“, erwiderte Amelia. „Das erklärt wohl auch Ihren Akzent. Ich konnte nicht umhin zu bemerken, dass er anders war... doch schließlich klingt in meinen Ohren jeder hier seltsam“, fügte sie rasch hinzu, da sie ihn nicht beleidigen wollte. „So, wie ich in den Ohren der Leute seltsam klinge. Lord Whitcliffe hat mir gesagt, ich würde daran arbeiten müssen, sobald wir verheiratet seien. Er meinte, mein Akzent sei grässlich, und er könne nicht dulden, dass seine herzogliche Gemahlin kein anständiges Englisch spreche. “ Sie zog die hellen Brauen zusammen. „Er sagte buchstäblich, ich würde die Wörter verhunzen. Mir erschien das recht spaßig, denn ich dachte stets, er sei derjenige, der sie falsch betonte, nicht ich... Doch ich hätte nicht im Traum daran gedacht, ihm das an den Kopf zu werfen, aus Furcht, seine Gefühle zu verletzen. “
    Die Vorstellung, der alte Whitcliffe könne sich durch Miss  Belford gekränkt fühlen, erschien Jack höchst unwahrscheinlich. „Lord Philmore nimmt keinen Anstoß an Ihrem Akzent? “
    „Er findet ihn reizend. “
    Natürlich tut er das, dachte Jack bitter. Mit der Aussicht auf eine millionenschwere Mitgift würde Lord Philmore zweifellos alles an Miss Belford reizend finden. Zumindest würde er dies behaupten. Schließlich konnte sich ein Viscount nicht erlauben, auch nur ansatzweise so wählerisch zu sein wie ein Herzog. „Doch ein Viscount war Ihren Eltern nicht adelig genug? “ In seiner Stimme schwang Verachtung mit.
    „Es klingt entsetzlich, wenn Sie es so ausdrücken“, gab Amelia zu. „Doch es ist nicht so, wie Sie denken. Meine Eltern stammen beide aus einfachen Verhältnissen, und mein Vater hat sein ganzes Leben lang gearbeitet, um seinen geschäftlichen Erfolg zu erzielen. Während er sich mit ganzer Kraft seinem Unternehmen gewidmet hat, kämpfte meine Mutter darum, das gesellschaftliche Ansehen unserer Familie zu steigern. Das lässt sich mit Geld nicht kaufen, Mr. Kent, und es gibt viele gesellschaftliche Zusammenkünfte in New York, von denen meine Eltern noch immer ausgeschlossen sind. “
    „Und wenn Sie einen Herzog heirateten, würde sich das ändern. “
    „Ich glaube nicht, dass meine Mutter so einfältig ist zu glauben, es würde etwas an dem Bild ändern, das die feine Gesellschaft von ihr und meinem Vater hat“, entgegnete Amelia. „Sie denkt dabei an mich und meine Brüder und an die Kinder, die ich einmal haben werde. Eine Heirat mit Lord Whitcliffe hätte ihnen einen Platz in der Gesellschaft gesichert. “
    „Es war ihr gleich, dass Sie jemand anderen heiraten wollten? “
    „Sie denkt, ich sei zu jung, um zu wissen, was mich glücklich machen wird“, erläuterte sie. „Als ich ihr von Percy erzählte, verbot sie mir, ihn jemals wieder zu sehen oder ihm auch nur zu schreiben, dass meine Eltern von unserem Verhältnis erfahren haben. Sie bestritt, dass wir verlobt waren.
    Da mein Vater seine Einwilligung nicht gegeben habe, sei es keine richtige Verlobung, sagte sie. Ich erklärte ihr, dass wir uns einander versprochen hätten und dass die Verbindung zweier Seelen nie getrennt werden könne. “ Ihre blauen Augen funkelten vor Entschlossenheit. „Stimmen Sie mir nicht zu, Mr. Kent? “
    Jack zuckte die Schultern. Genevieve hatte über zwanzig Jahre lang versucht, ihm diese unfeine Gewohnheit auszutreiben, nebst vielen anderen, jedoch mit begrenztem Erfolg. „Schon möglich. “ Er hatte nicht viel Erfahrung, was die Vereinigung zweier Seelen betraf. „Was hat Ihre Mutter dazu gesagt? “
    „Sie meinte, ich sei noch ein Kind und könne nicht wissen, was das Beste für mich ist, doch dass ich ihr eines Tages dafür danken würde, dass sie meine Hochzeit mit Lord Whitcliffe arrangiert habe. Und dann ließ sie mich nicht mehr aus den Augen und befahl den Dienstboten, all meine Briefe abzufangen, damit ich Percy nicht mitteilen konnte, was geschehen war, und auch er mir keine Nachricht zukommen lassen konnte. “
    „Dann haben Sie also keine Ahnung, wie Ihr Viscount sich verhalten hat, als er erfuhr, dass Sie nun offiziell mit Lord Whitcliffe verlobt waren?