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Ophran 3 Die entflohene Braut

Titel: Ophran 3 Die entflohene Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karyn Monk
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ganz der Wahrheit entsprachen. Ihr fiel wieder ein, wie sie Jack einige Nächte zuvor unbeabsichtigt aus dem Schlaf gerissen hatte. Er hatte ihr Handgelenk mit stählernem Griff umklammert und sie dabei mit angstvollem, wütendem Blick angestarrt. In diesem Augenblick hatte sie erkannt, dass er zu Gewalt fähig war. Nicht ihr gegenüber, doch den Dämonen der Vergangenheit, die ihn verfolgten. Grausame, böse Erinnerungen, die noch immer einem halb verhungerten, zitternden Jungen auflauerten, der jeden Tag aufs Neue um sein Leben kämpfen musste, ein Leben, das so hart war, dass sie es sich kaum vorzustellen vermochte.
    „Du fürchtest dich nicht, meine wohlbehütete kleine Amerikanerin, nicht wahr? “ Er hob seine Flasche an die Lippen und nahm einen weiteren Schluck, bevor er grimmig hinzufügte. „Das solltest du aber. “
    „Warum? “ fragte sie, unfähig zu begreifen, woher der plötzliche Groll stammte, den er offenbar ihr gegenüber empfand. „Was habe ich getan, dass du so wütend auf mich bist, Jack? “
    Er blickte sie eine geraume Weile an und dachte über ihre Frage nach. Irgendwie kam sie ihm verändert vor. Einerseits glich sie der schönen jungen Erbin, die in seine Kutsche geklettert war, andererseits jedoch hatte sie keinerlei Ähnlichkeit mit ihr. Ihre Veränderung hatte nichts mit ihrer strengen Aufmachung zu tun, denn er hatte Amelia sowohl im prächtigsten Brautkleid als auch im schlichtesten seiner eigenen zerknitterten Hemden gesehen. Kleider konnten ihre außergewöhnliche Schönheit nicht einmal ansatzweise schmälern. Nein, etwas anderes war mit ihr geschehen. Jack runzelte die Stirn, während er Amelia von oben bis unten musterte. Sein Blick glitt über ihre dunkel getönten Haare und Brauen, die matronenhafte Brille, die kunstfertig aufgetragenen Schatten, die die zarten Fältchen auf ihrer Stirn betonten und die Haut unter ihren Augen bläulich wirken ließen. Olivers Schminkkunst, erkannte Jack, verärgert darüber, wie ungemein wirkungsvoll sie war. Seine Schwestern und der alte Dieb hatten behauptet, sie würden Amelia so zurechtmachen, dass niemand sie erkennen würde. Sie hatten einen anderen Menschen aus ihr gemacht.
    Und sie ihm dabei entfremdet.
    „Geh zu Bett, Amelia“, sagte er schroff. „Du musst dich ausruhen, damit du morgen deine Sachen packen kannst. “ Er wandte sich ab und wankte zurück in sein Arbeitszimmer.
    Amelia guckte ihm entgeistert nach. Sie hatte ihn herausgefordert, als sie das Haus verlassen und sich eine Arbeit gesucht hatte, und er bestrafte sie dafür, indem er das Band ihrer Freundschaft zerriss und sie hinauswarf. Sie hatte das Angebot, zu Annabelle und ihrer Familie zu ziehen, zunächst angenommen, dann jedoch erkannt, dass sie Jack, Oliver, Doreen und Eunice im Grunde ihres Herzens nicht verlassen wollte, und deshalb beschlossen, Annabelle am folgenden Tag herzlich für ihre Liebenswürdigkeit zu danken und ihr mitzuteilen, dass sie lieber blieb, wo sie war. Doch nun warf Jack sie hinaus.
    Du kannst mir vertrauen, hatte er ihr beteuert. Wie begierig hatte sie diese Worte doch aufgesogen! Sie hatte geglaubt, er sei ihr Freund. Sie hatte geglaubt, er sei der erste Mann, der sie um ihrer selbst willen schätzte. Offenbar jedoch nur unter der Bedingung, dass sie hilflos und von ihm abhängig blieb, wie ein kleiner, aus dem Nest gefallener Vogel, der nie lernen würde, für sich selbst zu sorgen. Das war mehr als unannehmbar, das war niederträchtig und besitzergreifend! Auf seine Art war Jack Kent ebenso anmaßend und herrisch wie ihre Familie, wie Percy und Lord Whitcliffe. Es hatte eine Zeit gegeben, wo Amelia dies widerwillig ertragen, wo sie einen Weg gefunden hätte, es stillschweigend zu erdulden, wie sie so vieles in ihrem Leben erduldet hatte. Doch sie war nicht mehr dieselbe Amelia Belford, die so viele Jahre lang zugelassen hatte, dass man sie ausnutzte und beeinflusste. Sie war dabei, sich zu verändern, und sie wollte verflucht sein, wenn sie Jack das nicht begreiflich machen würde!
    „Du hast mich belogen“, zischte sie, riss sich die Brille von der Nase und schleuderte sie zu Boden, während sie Jack in sein Arbeitszimmer folgte. „Du hast mir gesagt, ich könne dir trauen, du seiest mein Freund! Und sobald ich etwas tue, was dir nicht gefällt, wirfst du mich auf die Straße! Was habe ich denn Schlimmes verbrochen, Jack? “ Ihre Stimme bebte vor Zorn. „Alles, was ich getan habe, war, mir eine Arbeit zu suchen, um zum ersten

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