Ophran 3 Die entflohene Braut
verlassen hatte, war seine Zurückhaltung verständlich. Dennoch verletzte sie seine abweisende Haltung. Wie war es möglich, fragte sie sich, dass zwei Menschen eine so unglaubliche Leidenschaft erleben, sich körperlich und seelisch so nahe kommen konnten, nur um einander dann betreten schweigend gegenüberzustehen?
„Es tut mir Leid“, murmelte sie schließlich, als sie erkannte, dass es an ihr war, das Eis zwischen ihnen zu brechen. „Ich wollte dir nichts aufzwingen, indem ich Alex her brachte, doch Oliver meinte, du würdest nichts dagegen haben. “
Jack nickte und suchte in seinem vom Whisky umnebelten Hirn nach einer Erinnerung an ein Mädchen namens Alex. Er; fand keine. Doch in diesem Augenblick erschien das auch kaum von Bedeutung. Irgendwie hatte das Mädchen, das in der von Eunice scherzhaft als „Gästezimmer“ gezeichneten Kammer lag, Amelia zu ihm zurückgebracht. So viel war ihm klar.
„Ich habe Alex heute kennen gelernt, nachdem sie versucht hatte, mein Retikül zu stehlen“, fuhr Amelia fort. „Oliver ist es gelungen, sie zu fangen, und als ich sah, wie schmutzig, hungrig und verzweifelt sie war, wusste ich, dass ich nicht einfach davonfahren und sie ihrem Schicksal überlassen konnte. Also habe ich sie zum Abendessen eingeladen, denn ich dachte, sie würde sich gewiss über eine anständige Mahlzeit freuen. Dabei hatte ich jedoch vergessen, dass ich selbst nur Gast in Annabelles Haus bin. Ich glaube zwar nicht, dass sie etwas dagegen hätte, wenn ich jemanden zum Essen einlade, doch in Alex’ Fall war ich mir da nicht so sicher, auch wenn ich weiß, dass Annabelle und ihr ebenfalls aus recht bescheidenen Verhältnissen stammt. “
So, wie sie es ausdrückte, klang es, als kämen seine Geschwister und er aus einem entzückenden kleinen Cottage auf dem Lande, wo sie ihre Tage damit verbracht hatten, in den Seen zu fischen und sich die Zeit mit Holzspielzeug zu vertreiben. Ja, überlegte Jack, mit einem Mal besorgt darüber, wie viel seine Familie ihr erzählt hatte, ich stamme in der Tat aus recht bescheidenen Verhältnissen.
„Ich musste auch an Annabelles Kinder denken. “ Amelia wünschte inständig, Jack möge etwas sagen. „Alex’ Verständnis von guten Manieren ist begrenzt, und ich fürchtete, Annabelle würde ihre Kinder diesem schlechten Einfluss nicht aussetzen wollen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als das Mädchen herzubringen. Oliver meinte, du wärest in den vergangenen Tagen stets spät von der Arbeit gekommen und hättest gewiss nichts dagegen. Ich hatte wirklich vor, Alex nach dem Essen dorthin zu bringen, wo sie üblicherweise ihre Nächte verbringt, und dir keinerlei Umstände zu bereiten. Doch sie hat keinen festen Schlafplatz, auch wenn sie felsenfest behauptet, sie könne auf sich selbst aufpassen. Sie ist sehr eigensinnig und unabhängig. “
Natürlich ist sie das! Jacks alte Wunden brachen wieder auf. Sonst würde sie nicht überleben.
„Nun, obwohl ich wusste, dass ich nicht das Recht dazu hatte, wollte ich sie einladen, die Nacht hier zu verbringen, wo sie warm und in Sicherheit sein würde. “ Amelia guckte Jack fragend an. „Doch ehe ich dazu kam, brach sie von Magenschmerzen gepeinigt zusammen. Eunice und Doreen wollten ihr ein Abführmittel geben, doch Alex beteuerte hastig, dass es ihr schon wieder viel besser gehe, woraus ich schloss, dass sie ihre Übelkeit nur vorgetäuscht hatte, um nicht fortgeschickt zu werden. Also bot ich ihr an, hier zu bleiben, und sie willigte ein - und so kam es, dass sie hier übernachtet. “
„Natürlich erwarte ich nicht von dir, dass du sie länger als eine Nacht beherbergst“, fuhr Amelia fort, die zu dem Schluss gelangt war, dass Jack die Beanspruchung seines Heims missbilligte. „Ich meine, du kannst unmöglich die Verantwortung für ein Waisenkind übernehmen, das verstehe ich. Doch ich kann Alex auch nicht einfach zurück auf die Straße schicken, wo sie vielleicht im Gefängnis enden wird -oder Schlimmeres. Morgen nehme ich sie mit zu Annabelle und frage, ob sie etwas dagegen hat, wenn ich mein Zimmer mit Alex teile, bis ich genug Geld gespart habe, um eine Wohnung für uns beide zu mieten. Jetzt, wo sie gewaschen ist, sieht sie recht manierlich aus, und wenn ich ihr erst ein paar Grundregeln guten Benehmens beigebracht habe - dass man bei Tisch nicht rülpst und nicht ständig flucht beispielsweise wird sie Annabelle und ihre Familie gewiss nicht allzu sehr stören. “
Amelia wird mich
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