Opium bei Frau Rauscher
alles wie am Schnürchen lief, so etwas gibt es meist nur im Fernsehen. Dennoch hatte er großes Glück.
Jetzt, da er wußte, wo Jürgen verkehrte, brauchte er nur zu warten. Herr Schweitzer hatte sich einen Fensterplatz in der Kneipe schräg gegenüber der schwulen und vis-à-vis der echten Frau Rauscher gesichert. Von hier aus konnte er ganz prima den Eingang im Auge behalten. Nur mit dem Fotografieren würde es Schwierigkeiten geben, denn die Fenster waren verdreckt, und da es draußen auch schon dunkel war, spiegelte sich im Fensterglas lediglich die Inneneinrichtung der Gaststätte.
Schon vor einer halben Stunde war Jürgen hineingegangen. Trotz der kalten Witterung hatte er nur eine Strickjacke in den Farben Beige und Blau getragen. Herr Schweitzers Strategie sah vor, sollte Jürgen tatsächlich mit Lola gemeinsam herauskommen, ihnen zu folgen, um bei günstiger Gelegenheit ein paar Fotos zu schießen. Natürlich kam alles ganz anders.
Ein einsamer Gast setzte sich zu ihm. Zur gleichen Zeit öffnete sich auf der anderen Seite die Tür, und Lola und Jürgen gingen die Stufen runter. Herr Schweitzer hatte sein Bier, vorausschauend wie er nun mal war, bereits bezahlt.
„Derf ich dir aaner ausgebe?“ fragte nun der unwillkommene Gast.
Herr Schweitzer fragte sich, ob er wie ein Kummerkasten aussehe, denn vorgestern war ihm in der schwulen Frau Rauscher ja ein Gast namens Franz schon auf diese Tour gekommen.
„Weiß ich noch nicht“, sagte er barsch und bar jedweder Gefühlsduselei.
„Du mußt doch wisse, ob de Doscht hast.“
„Jetzt halt mal die Luft an.“
„Dann ebbe net.“ Schmollend entfernte sich der Hefner.
Herrn Schweitzer blieb keine Zeit, sich über seine Unhöflichkeit Gedanken zu machen. Während Lola sich verstohlen nach allen Seiten umblickte, öffnete Jürgen nämlich das kleine Gatter, ging hinter die Absperrung und bückte sich neben dem Denkmal. Und als ein einsamer abendlicher Spaziergänger des Weges kam, stieß Lola einen kurzen Pfiff aus, und Jürgen tat darauf, als uriniere er in die Häuserecke. Dann, als die Gefahr vorüber war, machte er sich wieder an sein Werk. Herr Schweitzer hätte liebend gerne gewußt, um welches Werk es sich dabei handelte. Von seinem Fensterplatz aus konnte er nur Umrisse erkennen. Dann kam Jürgen wieder und gesellte sich zu Lola auf die Treppe. Herr Schweitzer glaubte gesehen zu haben, wie er ihr etwas in die Handtasche steckte. Daraufhin zündeten sich beide eine Zigarette an. Sie wirkten sehr zufrieden.
Seine Chance sah Herr Schweitzer, als sich eine fröhliche Truppe vor der Frau Rauscher versammelte und ihren Spaß dabei hatte, angespuckt zu werden. Unter lautem Gekreische wurden die Mädels von den Jungs immer wieder in den Strahl geschubst. Noch in der Gaststube machte er seinen Fotoapparat schußbereit.
Lola und Jürgen waren in ein Gespräch vertieft.
Seinen Panamahut fast schon auf der Nasenwurzel balancierend betrat er das Kopfsteinpflaster der Klappergasse und gesellte sich zu den Jugendlichen. Wie es sich für einen unbescholtenen Touristen gehört, nahm Herr Schweitzer das Denkmal der Frau Rauscher ins Visier. Er stellte das Zoom so ein, daß am rechten Bildrand Lola und Jürgen zu sehen waren. Als wäre Gott auf seiner Seite, wurden beide auch noch von einer Laterne angestrahlt. Er drückte auf den Auslöser. Ein Blitz erhellte für einen kurzen Augenblick die Szenerie. Zwar schauten daraufhin Lola und Jürgen kurz in seine Richtung, doch bemerkt hatten sie offenbar nichts. Ungerührt setzten sie ihr Gespräch fort. Und als sie sich küßten, schlug Herr Schweitzer ein zweites Mal zu und war ob seines Glückstages ganz aus dem Häuschen.
Im Schutz der immer noch ausgelassen herumalbernden Gruppe Jugendlicher kontrollierte er die Qualität der von ihm geschossenen Fotos. Sie waren gestochen scharf, wie sie gestochen schärfer nicht hätten sein können. Mamis Bester war mit sich zufrieden. Der Auftrag war ausgeführt und er mit Ruhm bekleckert, sechstausend Euro waren sein Eigen, und als Privatdetektiv würde er rosigen Zeiten entgegengehen. Ab sofort konnte er mit einer Aufklärungsquote von hundert Prozent aufwarten. Welcher Detektiv durfte das schon von sich behaupten?
Jeder Traum geht einmal zu Ende. Manchmal allerdings viel zu schnell.
Herr Schweitzer hatte Jürgen gar nicht kommen sehen, weil sein Hut die Sicht versperrte und er gerade dabei war, den Fotoapparat in der Manteltasche verschwinden zu lassen.
„Mensch, ich
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