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Opium bei Frau Rauscher

Opium bei Frau Rauscher

Titel: Opium bei Frau Rauscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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letzten wieder im Lot. Mir doch egal, sagte er sich, wenn mich alle Welt für homosexuell hält. Hicks. Was ist denn schon groß passiert? Morgen gebe ich Sabine die zweitausend Euro zurück, dann bin ich aus dem Schneider. Die Fotos lösche ich einfach. So. Außerdem sind hier alle sehr nett zu mir. Viel netter als im Weinfaß. Sogar dieser Franz, der so schwul ist, daß er selbst bei Bambi weint und mir dauernd das Knie tätschelt, ist eigentlich eine recht sympathische Person. Hicks-hicks. Und erst all die anderen Jungs, in deren Mittelpunkt sich Herr Schweitzer sah, ausgesprochen hübsch und eloquent. Das ist doch mal was anderes als immer dieses blöde Rumgebabbel bei Bertha. Und wollte man sich weiterentwickeln, so mußte man auch mal über den Tellerrand gucken. So wie ich eben. Er, Herr Schweitzer, war jedenfalls ein sehr großer Befürworter einer Schwulenbar in Sachsenhausen. Nur so lernt man Toleranz. Mit großer Geste bedeutete er der schönen Lola, die nächste Lokalrunde gehe auf den lieben Simon. Nach anderthalb Stunden bereits das achte Bier – sein Verschleiß war enorm.
    Dann mußte Herr Schweitzer pinkeln. Sein Urin war glasklar. Keine Spur von Gelb trübte das Wässerchen. Mit der linken Hand stützte er sich an den Kacheln ab. Die Tür ging auf. Lola stellte sich ans Urinal direkt neben ihm und pinkelte ebenfalls. Zuerst fand er das ganz normal. Nach ein paar Sekunden schon weniger. Herr Schweitzer wußte nicht genau, was ihn störte, aber irgendetwas störte ihn. Folglich tat er einen Blick halbschräg nach links unten. Der ist aber ganz schön groß, dachte er noch, als endlich der Blitz der Erkenntnis in ihm einschlug. Dann schaute er höher. Alle Zweifel waren ausgelöscht. Lola. Im Männerklo.
    Hastig zog er den Reißverschluß nach oben. Dabei erwischte er noch einen Zipfel, was höllisch wehtat. Heldenhaft biß sich Herr Schweitzer auf die Lippen. Der letzte Strahl ging in die Unterhose. Zum Händewaschen war keine Zeit mehr. Fluchtartig verließ er die Toilette. Mit gehetzter Miene nahm er wieder seinen Platz ein. Noch nie in seinem ganzen Leben war er nüchterner gewesen. Er wußte mit aller Gewißheit, einer Täuschung war er nicht anheimgefallen. Houston, wir haben ein Problem, meldete eine innere Stimme.
    Das Problem wurde noch größer, als Lola wieder den Schankraum betrat und ihm von allen anderen unbemerkt eine Kußhand zuwarf. Ich will heim zu Mami, war nun Herrn Schweitzers alleiniger Wunsch. Doch so einfach war das nicht. Jürgen ließ ein weiteres Tablett mit Birnenschnaps rumgehen und nötigte Herrn Schweitzer geradezu, sich zu bedienen. Obzwar er nicht mehr denken wollte, ließ es sich nicht vermeiden. Wie hießen denn gleich die Perversen, die sich als Frauen verkleideten? In der Opferrolle war es mit Herrn Schweitzers Toleranz vorbei. Transvestiten oder Travestiten? Immerfort verwechselte er das. Auch seine Lateinkenntnisse versagten ihre Hilfe. Unwillkürlich sackten seine Schultern nach unten. Er hatte sich aufgegeben.
    Und nun, da eh schon alles egal war, raffte sich Herr Schweitzer ein letztes Mal auf: „Lola-Schatz.“
    „Jaha, Süßer.“
    „Wie viel Flaschen Birnenschnaps hast du noch auf Lager?“
    Lola bückte sich. Diesmal wurde Herrn Schweitzer beim Anblick des Hinterns übel. „Drei. Wieso?“
    „Stell die bitte mal hierher. Jetzt geht’s ab.“
    Erst im Morgengrauen erreichte er sein Heim. Ein lautes Klopfen an der Toilettentür weckte ihn vorübergehend. Es war seine Mitbewohnerin Laura Roth, die zur Arbeit mußte. Immer noch voll wie ein Eimer erhob sich Herr Schweitzer daraufhin von der Kloschüssel und begab sich ins Bett. Sich auszuziehen, dafür fehlte ihm die Kraft. Seltsame Sexualpraktiken beherrschten seine unruhigen Träume. Er verletzte sich nicht, als er aus dem Bett fiel, denn vorher waren bereits Kopfkissen und Decke auf den Boden gefallen. Vom Sturz war er nur kurz wach geworden.
    Der Tag fand nicht statt. Herr Schweitzer auch nicht. Irgendwann am späten Nachmittag schaffte er es, sich aus der Küche mit sämtlichen noch vorhandenen Fruchtsaftbeständen zu versorgen. Hin und wieder ging er mit geschlossenen Augen aufs Klo.
    Als Maria am Abend anrief, um mal nachzufragen, was denn mit Simon sei, war Laura am Apparat und erklärte ihr Simons Allgemeinzustand.
    Um Mitternacht schluckte er die restlichen Kopfschmerztabletten.
    Noch immer fühlte sich Herr Schweitzer wie Pearl Harbour, als er fünfundzwanzig Stunden nach dem letzten

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