Opium bei Frau Rauscher
Zeiten, in denen das Böse immer und überall ist, kann man nicht vorsichtig genug sein. Er hievte seinen Körper nach draußen und lehnte sich mit gespreizten Beinen an den Wagen, so daß der Beamte seiner Pflicht nachkommen konnte. Als eifrigem Tatort-Gucker war ihm dieses Ritual vertraut.
„Danke. Sie können draußen stehen bleiben.“
Da es zu regnen aufgehört hatte, nahm Herr Schweitzer das Angebot an. Vor dem Ambulanzwagen standen die Sanitäter abwartend herum und rauchten. Einen dicklichen Polizisten hinter sich herzerrend, huschte ein Schäferhund an ihm vorüber. Im Garten des Mordhauses leuchteten die ersten Scheinwerfer. Durch das Fensterglas sah Herr Schweitzer die Spurensicherung ihrer Arbeit nachgehen.
„Oberkommissar Schmidt-Schmitt. Ich leite die Untersuchung. Bitte
setzen Sie sich.“
Der Detektiv vermutete einen Sprachfehler: „Herr Schmidt?“
„Nein, nein. Schmidt-Schmitt. Meine Frau heißt auch Schmitt.“
Herr Schweitzer war pure Aufmerksamkeit. Tatsächlich, der Bulle meinte das ernst. Um sicher zu gehen, hakte er nach: „Wie wird Schmidt-Schmidt geschrieben?“
„Einmal Dee-Tee, einmal Tee-Tee. Ich bin der Dee-Tee-Schmidt. Warum grinsen Sie?“
Er wollte gar nicht grinsen. Das war ihm nur so rausgerutscht. „Ich grinse doch gar nicht.“
Oberkommissar Schmidt-Schmitt winkte ab. „Ist ja auch egal. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin hundemüde.“
„Ich auch“, bestätigte Herr Schweitzer sogleich.
„Dann packen wir’s mal an. Also, ganz von vorne. Warum standen Sie zum Zeitpunkt des Verbrechens mit einer Kamera im Garten herum?“
„Ganz von vorne? Dann müßte ich in Laos beginnen …“
„Dann eben Laos.“ Schmidt-Schmitt schaltete den Kassettenrekorder an.
Unter Aussparung der Drogendelikte berichtete Herr Schweitzer in aller Klar- und Ausführlichkeit über sämtliche Geschehnisse rund um das Juwelierspaar Sikora. Er saß im Sachsenhäuser Polizeirevier auf der Offenbacher Landstraße. Obwohl er das Gefühl hatte, der Mord läge schon viele Stunden zurück, war es erst kurz nach neun. Marias Kamera war vorerst konfisziert und auf dem Weg zur labortechnischen Untersuchung.
„Sie sind ein guter Zeuge, Herr Schweitzer“, lobte Oberkommissar Schmidt-Schmitt, nachdem Herr Schweitzer geendet hatte. „Es ist Ihnen auch kein Vorwurf zu machen, jedenfalls von mir nicht, daß Sie nicht als erstes die Polizei gerufen haben, anstatt Frau Sikora zu suchen. Die Verfolgung hätte ja auch erfolgreich sein können.“
„Danke“, sagte Herr Schweitzer mit stolzgeschwellter Brust. „Kann ich jetzt gehen?“ Er wollte heim zu Maria.
„Ich befürchte: nein. Sie müssen noch mal mit in den Bischofsweg und uns zeigen, wo Sie genau gestanden haben, als der Mord geschah, wenn’s überhaupt ein Mord war. Damit wir die Spuren auch richtig zuordnen. Die meisten Fehler werden immer am Anfang gemacht.“
„Ist klar, Herr Schmidt-Schmitt.“
„Einmal Schmidt reicht vollkommen. Schmidt-Schmitt müssen Sie nur sagen, wenn meine Frau dabei ist.“
Zum Zeichen seiner Verständnislosigkeit schüttelte Herr Schweitzer den Kopf.
Der Oberkommissar beugte sich nach vorne. „Meine Frau … lieb … sehr glückliche Ehe … hat früher jeden Monat Emma gelesen … Sie wissen, die Emanzipationszeitschrift.“
„Kenne ich … liest meine Freundin auch“, entgegnete der Detektiv. Das war allerdings nichts als reine Männersolidarität. Maria las gewöhnlich keine Emma. Nur ein einziges Mal hatte Herr Schweitzer ein Exemplar in ihrer Wohnung gesehen. Und selbst wenn, so dachte er, dann sollte ich derjenige sein, der Emma liest. Manchmal war ihm seine Freundin zu dominant.
„Kommen Sie, der Streifenwagen wartet.“
Herr Schweitzer nahm seinen Parka von der Stuhllehne. Eine schmutzigbraune Lache hatte sich auf dem Boden gebildet. Und Herr Schmidt-Schmitt war ihm, nachdem er nicht mehr auf Schmidt-Schmitt bestand, sondern mit einem Schmidt zufrieden war, recht sympathisch geworden.
Der Bischofsweg wurde gleich an der Ecke zur Darmstädter Landstraße von einem querstehenden Polizeiauto blockiert. Nicht einmal Anwohner wurden mehr durchgelassen. Dem Polizeifunk entnahm Herr Schweitzer, daß Sabine Sikora weiterhin flüchtig und die Fahndung jetzt großräumig bis Oberrad, Neu-Isenburg und dem Kleingartengebiet Louisa ausgeweitet war. Und ein Kamerateam des Hessischen Rundfunks war mittlerweile auch eingetroffen. Direkt an der Absperrung gab ein Beamter im gleissenden
Weitere Kostenlose Bücher