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Opium bei Frau Rauscher

Opium bei Frau Rauscher

Titel: Opium bei Frau Rauscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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deren Restaurant man gut essen konnte, drehte sich Sabine halb um. Herr Schweitzer drückte sich seitlich ins Gebüsch. Kleine Äste kitzelten sein Gesicht. Erst als sie gänzlich im Landwehrweg verschwunden war, wagte er sich aus seiner Deckung. Hurtig rannte auch er über den Asphalt. Drei kurz hintereinander am rechten Gehweg geparkte Kleinlaster verbargen ihm die freie Sicht auf Sabine, was gut und schlecht zugleich war, denn als er den letzten passiert hatte, war die Dame verschwunden. Da sich aber auf der anderen Straßenseite, auf der Sabine gegangen war, nur die rückwärtige hohe Mauer des Südfriedhofs befand, konnte dies nur bedeuten, daß sie sich hinter einen der vielen Pkws geduckt hatte. Warum aber sollte sie das tun, bestimmt hat sie mich bemerkt, erkannte Herr Schweitzer sofort. Ihm rutschte das Herz in die Hose. Wie von einem elektrischen Schlag getroffen blieb er stehen und ging rückwärts und vorsichtig wieder zu dem Kleinlaster. Durch die Schlieren der am Seitenfenster herunterrauschenden Wassermassen versuchte er zu erkennen, was schräg vor ihm passierte.
    Nichts geschah. Eine Minute verstrich. Herr Schweitzer nahm all seinen Mut zusammen und lugte über den Rückspiegel. Alles war ruhig. War Sabine zusammengebrochen und kauerte nun irgendwo hinter den Fahrzeugen? Wäre da nicht der Revolver gewesen, er hätte keine Zeit vergeudet.
    Erst als sich seine Nerven etwas beruhigt hatten und er das offenstehende Tor des kleinen Nebeneingangs des Friedhofs bemerkte, hastete er über die Straße, jederzeit bereit, sich flach auf den Boden zu schmeißen, sollte doch noch auf ihn gefeuert werden. Zu seiner Freude pfiffen ihm keine blauen Bohnen um die Ohren. Unversehrt erreichte Herr Schweitzer den dunklen Mitsubishi. Er ging in die Hocke. Am Kotflügel preßte er sich die Nase platt und guckte um die Ecke. Der Bürgersteig lag wie leergefegt vor ihm. Er versuchte sich auszurechnen, vor wievielen Minuten er Sabine zuletzt gesehen hatte, und ob es überhaupt noch Sinn machte, ihr zu folgen. Aber da war ja noch sein Detektivblut. Dieses geleitete ihn zum Tor.
    Herr Schweitzer mochte Friedhöfe. Zwei, drei Mal im Jahr pflegte er hier seine Runden zu drehen, um dann beim Verschnaufen von einer Bank aus das allgemeine Treiben zu betrachten. Besonders emotional war hier der Herbst, wenn sich am Vormittag die Nebelschwaden zwischen den Grabsteinen lösten. Im Moment jedoch waren ihm Friedhöfe zuwider. Im wahrsten Wortsinn lauerte dort der Tod. Wie eine Raupe preßte er sich an die Mauer. Ich zähl bis drei, dann geh ich rein.
    Insgesamt zählte er vier Mal bis drei, dann erst ging er rein. Natürlich blieb er sofort stehen, denn das Areal war unbeleuchtet, und man sah die Hand vor den Augen nicht. Lediglich die zwei Baumkronen in seiner unmittelbaren Umgebung wurden noch schwach von den Lichtkegeln der Straßenlaternen erreicht. Herr Schweitzer machte einen Schritt nach vorne. Der Kies unter seinen Füßen knirschte. Langsam nahmen seine Augen Konturen wahr. Weiter als zehn Meter konnte er aber nicht sehen. Er stolperte über einen heruntergefallenen Ast und kam ins Straucheln. An einem Grabstein konnte er sich gerade noch festhalten. Eine tiefe Sinnkrise durchwallte plötzlich seinen Körper. Was mache ich hier eigentlich?
    Gute Frage. Herr Schweitzer wußte es nicht. Sabine war bestimmt schon über alle Berge. Und Jürgen, sofern nicht restlos tot, benötigte vielleicht einen Notarzt. Ach nein, dachte er, da ist ja noch Lola. Gewiß hatte sie alles Nötige veranlaßt. Oder hatte sie auch den Kopf verloren? Oder war sie auch ermordet worden? Er hatte sie durch das Fenster zwar nicht gesehen, aber das Zimmer war größer als der kleine erleuchtete Fensterausschnitt. Und mit zwei Schüssen konnte man rein rechnerisch auch zwei Leutchen umpusten. War Sabine demzufolge also eine Doppelmörderin? Herrn Schweitzer schwirrte der Kopf.
    Überlegtes Handeln ist das Wahrzeichen echter Männer. Bislang war er davon weit entfernt gewesen. Doch nun, da er Sabine endgültig aus den Augen verloren hatte, kehrte auch seine Ratio wieder zurück. Nicht mehr ganz so flink wie anfangs verließ er den Südfriedhof. Vier Minuten später betrat er das Foyer des Hotels Holiday Inn an der Mailänder Straße. Zielstrebig steuerte Herr Schweitzer die Rezeption an. Geschultes Personal nahm ihn in Augenschein.
    Obschon er mit seinen durchweichten und verdreckten Klamotten aussah wie ein Obdachloser, wurde er höflich empfangen: „Was

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