Optimum - Kalte Spuren
.«
Nathan schwieg eine lange Zeit. Das Licht flammte auf, und Torben und Robin kamen mit stolzen Mienen zurück ins Zimmer. Ein paar der jüngeren Schüler klatschten Beifall.
»Morgen gehen wir ins Dorf runter « , flüsterte Nathan. »Wir brechen ganz früh auf, bevor die anderen aufgestanden sind. Torben wird uns ja wohl kaum eine Wache vor die Tür stellen. Vor allem, weil wir mit dieser Stromgeschichte nun wirklich nichts zu tun haben können .«
»Aber Eliza …« , begann Rica.
Nathan schüttelte den Kopf. »Ich lasse sie auch nicht gern allein. Aber im Grunde ist es für sie doch auch besser, wenn wir gehen. Überleg doch mal: Momentan weiß niemand, dass wir hier oben allein sind. Herr Muhlmann nimmt vermutlich an, dass Frau Friebe noch bei uns ist. Er wird sich keine allzu großen Sorgen machen, wenn nicht endlich jemand Bescheid gibt. Und wir können auf dem Weg im Unterstand vorbeigehen und alles einsammeln, was uns unter die Finger kommt. Wird Zeit, dass jemand die Polizei einschaltet .«
»Die Polizei …« Rica war ein wenig mulmig zumute. Die Polizei hatte im letzten Sommer nichts getan, um Jos Tod aufzuklären. Zumindest war das ihr Eindruck gewesen. Sie hatte das starke Gefühl, dass, wer auch immer hinter alldem steckte, die Polizei vollkommen im Griff hatte.
»Es sind Leute zu Schaden gekommen « , meinte Nathan. »So ein Stromschlag hätte tödlich ausgehen können, und die Geschichte mit der Mausefalle war auch nicht ungefährlich. Ich glaube allmählich, dass das hier eine Nummer zu groß für uns beide ist. Wir sollten zumindest jemandem Bescheid geben .«
»Hast du etwa Angst ?«
Nathan zuckte mit den Schultern. »Nicht direkt. Vielleicht ein bisschen. Aber du hast doch selbst gesagt: Es gibt nichts, was wir hier tun können. Also lass es uns auf eine andere Art und Weise versuchen, okay ?«
Rica nickte zögernd. Natürlich hatte er recht. Das änderte aber nichts daran, dass ihr überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken war, Eliza hier zurückzulassen. Oder die Ermittlungen jemand anderem zu übergeben. Schon gar nicht der Polizei.
Aber manchmal gelang es sogar ihr, auf die Stimme der Vernunft zu hören. »Okay « , brummte sie. »Meinetwegen .«
»Wir brauchen Leute für den Küchendienst « , erklang Torbens Stimme. »Wer war denn noch nicht dran? Ach, okay, Rica, Nathan, Laura, Malte. Ihr vier .«
Rica blinzelte. Sie hatte das Gefühl, für etwas bestraft zu werden, das sie gar nicht verbrochen hatte. Aber wahrscheinlich hatte Torben sie einfach immer noch im Visier.
»Ich kann überhaupt nicht kochen « , protestierte sie. »Ich meine, abspülen ist für mich okay, aber wenn ihr nicht alles angebrannt haben wollt …«
»Du wirst es ja wohl schaffen, ein paar Würstchen zu braten « , meinte Torben unerbittlich. »Stell dich nicht so an. Kann ja jemand anderes die Kartoffeln übernehmen .«
Nathan zog die Augenbrauen hoch und schenkte Rica einen bezeichnenden Blick. Lieber die Klappe halten, sagten seine Augen. Rica seufzte.
Die beiden jüngeren Schüler waren schon eifrig aufgesprungen und auf halbem Weg in die Küche, als Nathan und Rica ihnen langsam folgten.
Kapitel sechzehn
Mob
Während die anderen sich begeistert auf den Sack mit Kartoffeln stürzten und sie zu schälen begannen, ließ Rica sich damit Zeit, an den Kühlschrank zu gehen und ein Päckchen Würstchen nach dem anderen herauszunehmen. Bloß möglichst lange vom Herd fernhalten.
Herde hassten Rica. Sie hatte sich schon mehrfach übel an Backblechen verbrannt, und wann immer ein Herd kaputt gehen konnte, tat er es garantiert, wenn Rica in der Nähe war.
Das hier waren auch noch uralte Gasherde, bei denen man mit offenen Flammen kochte, das war Rica erst recht unheimlich. Außerdem kam sie sich vor, als verschwende sie hier ihre Zeit. Am liebsten wäre sie mit Nathan sofort aufgebrochen, aber draußen wurde es bereits dunkel, und es hätte wohl wenig Sinn gehabt, sich jetzt noch in die Finsternis hinauszuwagen. Ganz so lebensmüde war sie dann doch nicht.
Laura, Malte und Nathan stritten sich in einer Ecke der Küche spielerisch darum, wer die am seltsam aussehendste Kartoffel finden konnte. Rica fragte sich, wie Nathan in dieser Situation überhaupt noch zum Scherzen aufgelegt sein konnte, und verzog das Gesicht. Sie merkte, dass sie eifersüchtig war auf seine unbeschwerte Art, mit den Dingen umzugehen. Irgendwann habe ich das auch mal gekonnt, dachte sie bei sich. Wann ist mir das eigentlich verloren
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