Optimum - Kalte Spuren
an der Eindeutigkeit der Situation noch viel geändert hätte.
»Störe ich?« Torben hörte nicht auf zu grinsen.
»Tust du« , bestätigte Robin. »Verschwinde.«
»Kann ich leider nicht, der Röhling hat uns aufgetragen, alle zu wecken und nach unten zu schicken«, erwiderte Torben.
Robin runzelte die Stirn, aber Rica war etwas anderes aufgefallen. Uns? Sie reckte den Hals und spähte in den Flur. Ein Stück hinter Torben stand noch jemand. Doch bevor sie genau sehen konnte, um wen es sich handelte, hatte er sich schon weggedreht. Saskia? Aber es gab keine Möglichkeit, zu erfahren, ob sie es wirklich gewesen war.
Der Aufenthaltsraum war voll von halb ausgeschlafenen Schülern, und niemand sah so richtig glücklich aus. Außer Herrn Röhling natürlich. Er strahlte.
»Wir wollten heute früh raus, um den Morgen auf der Piste zu verbringen. So ein Morgen in den Bergen ist etwas ganz Besonderes.«
Rica sah zum Fenster. Noch immer schneite es dicht, und man konnte durch das Treiben kaum die Bäume sehen.
»Ist das nicht gefährlich?« Eine der jüngeren Schülerinnen sah ebenso besorgt zum Fenster. »Wir können ja gar nicht sehen, wohin wir fahren.«
»Ihr seid doch zum Skifahren hier, oder etwa nicht?«, mischte sich jetzt Herr Muhlmann ein. »Da wird euch doch nicht ein bisschen Schnee abschrecken.«
»Bisschen ist gut«, murmelte das Mädchen und schnitt eine Grimasse, als Herr Muhlmann gerade nicht in ihre Richtung sah. Rica teilte ihre Bedenken und wollte ihr gerade zustimmen, als das Mädchen sich zu der Gruppe älterer Schüler umdrehte, die sich vor dem Kamin versammelt hatte.
»Warum schicken Sie nicht einfach nur die Verlierer da drüben raus«, meinte sie, nun in einem eindeutig giftigen Tonfall. »Die wird bestimmt keiner vermissen.«
»Aber dich schon, oder was?«, giftete Sarah sofort zurück.
Rica musste schlucken. Am liebsten hätte sie der unverschämten Göre eine verpasst, doch momentan sah es so aus, als würde Sarah das in nächster Zeit für sie erledigen.
Das Mädchen warf seine dunkle Mähne in den Nacken und reckte sein Kinn nach vorn. »Du weißt überhaupt nicht, wer ich bin, was?«, fragte sie Sarah in schnippischem Tonfall.
»Wieso? Jemand Berühmtes? Hannah Montana oder so was?« Sarah verdrehte die Augen.
»Ich bin Michelle Kaltenbrunn«, meinte das Mädchen. Als sie sah, dass das keinen Effekt auf die älteren Schüler machte, fügte sie hinzu: »Mein Vater ist Oliver Kaltenbrunn.«
Als würde das irgendwas erklären! Rica sah sich verwirrt um und konnte in den meisten Gesichtern ihrer Mitschüler das gleiche Unverständnis lesen. Eliza allerdings machte ein nachdenkliches Gesicht, und Torben war regelrecht blass geworden.
»Ist mir piepegal, wer dein Vater ist«, meinte Sarah völlig unbeeindruckt. »Das macht dich nicht besser als jeden anderen hier.«
Und das von der Frau, die mir vor ein paar Monaten noch erzählt hat, dass nicht alle Menschen gleich sind. Rica hatte keine Lust auf diese alberne Zankerei. Sie wandte sich ab und suchte Robin. Am liebsten wollte sie sich einfach in seine Arme kuscheln und den ganzen Mist hier vergessen. Die Ferien hätten wirklich schön werden können, wenn man es so bedachte. Wenn das ganze Drumherum nicht wäre.
Aber Robin war nicht da. Zumindest war er nicht im Aufenthaltsraum. Und – wie Rica sofort feststellte – Saskia fehlte ebenfalls.
Also doch!
Rica spürte eine Welle der Enttäuschung in sich aufsteigen. Erst macht er sich an mich ran, und dann verschwindet er mit Saskia, sobald sich eine Gelegenheit auftut.
Vorne hielt Herr Röhling einen seiner Motivationsvorträge, während sich hinten Sarah und Michelle weiter angifteten, ohne dass einer der Betreuer darauf reagiert hätte. Eliza starrte immer noch nachdenklich in die Landschaft, und Nathan war jetzt, wo Rica ihn suchte, auch nicht zu sehen. Da wird es wohl kaum auffallen, wenn ich auch verschwinde.
Rica schob sich durch die Schüler zur Treppe und dem Gang, der zur Hintertür führte. Robin war direkt vor ihr die Treppe heruntergekommen, dann hatten sie sich irgendwie aus den Augen verloren, als Herr Röhling zu sprechen begonnen hatte. Der einfachste Weg für ihn wäre zur Hintertür gewesen. Wenn Saskia wirklich vorhin auf dem Gang gewesen war, dann hat sie ihn bestimmt hier abgepasst.
Rica schlich auf leisen Sohlen den Gang hinunter. Tatsächlich stand die Hintertür einen kleinen Spalt offen, und ein bisschen Schnee war hereingeweht. Leise Stimmen
Weitere Kostenlose Bücher