Optimum - Kalte Spuren
dass Nathan seine Hand an einem Lichtschalter hatte. »Wenn uns nun jemand sieht?«
»Hier ist doch niemand. Oder glaubst du, der sitzt hier im Dunkeln und wartet nur auf uns?«
»Kann man doch nie wissen.« Rica wandte sich wieder ab, bevor Nathan das Grinsen auf ihrem Gesicht sehen konnte.
Der Raum wirkte beleuchtet nicht weniger trostlos als zuvor. Er wurde bewohnt, das war klar, das konnte man schon an dem schmalen Bett, dem Klapptisch voller schmutzigem Geschirr und der vor dem Bett verstreuten Campingausrüstung sehen. Aber dennoch wirkte er irgendwie unfreundlich.
Es war ziemlich beengt, das Bett und der Tisch waren zwischen eine lange Tischreihe an der Stirnseite und ein Stahlregal an der Rückseite geklemmt worden. Auf den Tischen standen ein Desktoprechner und ein Laptop und summten vor sich hin. Der Bildschirm des Rechners zeigte eine Ansicht von der verschneiten Ebene draußen, der Laptop einen Bildschirmschoner. Nathan trat sofort an den Rechner und versuchte, die Kameradatei zu finden. Eliza wanderte unterdessen ziellos durch das kleine Zimmer und blieb dann schließlich vor dem Stahlregal stehen. Es stand voller Ordner.
»Hier sind unsere Namen drauf«, sagte Eliza.
»Nur unsere?« Rica trat neben sie und sah dann, was sie meinte. Zu jedem Schüler, der unten in der Skihütte war, gab es einen Ordner, säuberlich mit Vor- und Nachnamen beschriftet. Rica lief es kalt den Rücken hinunter, als sie den Ordner mit »Ricarda Lentz« darauf erblickte. Er war etwas dünner als die anderen, so als existiere er noch nicht ganz so lange, oder als gäbe es eben nicht ganz so viel Material. Rica schauderte, und wagte es nicht einmal, die Hand nach den Papieren auszustrecken.
Eliza schien nicht ganz so viel Skrupel zu haben. Sie griff sich kurzerhand den Ordner mit ihrem Namen darauf, zog ihn heraus und trug ihn zu der Tischreihe hinüber. Rica warf einen zögernden Blick auf ihren eigenen Ordner und folgte dann Eliza. Sie wagte es einfach nicht, zu lesen, was dieser Psychopath – der vermutlich gar keiner war – über sie wusste.
Eliza schlug den Ordner auf, ohne auch nur im Geringsten auf Nathan oder Rica zu achten. Sie schien in eine Art Trance gefallen zu sein, sobald sie die Ordner zu Gesicht bekommen hatte.
»Also das Zeug hier ist das Gleiche wie in dem Ordner unten«, murmelte sie, offensichtlich mehr zu sich selbst, als um gehört zu werden. Dabei blätterte sie einige Seiten um, die einen kurzen Fragebogen und offensichtlich Eckdaten enthielten. Rica stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihr über die Schulter sehen zu können.
Fotos folgten. Eine ganze Reihe von Fotos, angefangen von Bildern eines Säuglings über ein rothaariges Kleinkind, das immer älter wurde, bis zu Bildern von Eliza, wie sie jetzt aussah. Eines der Fotos kam Rica schrecklich bekannt vor, Eliza auf einer Bank im Park der Daniel-Nathans-Akademie.
»Ist das nicht …?«
Eliza nickte nur und blätterte mit verbissenem Gesichtsausdruck weiter. Die nächsten Seiten trugen den Aufdruck »Nathans-Institut für genetische Forschung und Verbesserung«. Rica hatte es schon einmal gesehen, in der Akte, die sie Frau Jansen abgeluchst hatte. Damals hatte die Aufschrift jedoch nur ganz unverbindlich »Nathans-Institut« geheißen.
»Genetische Forschung und Verbesserung.« Elizas Lippen formten die Worte, aber sie waren kaum zu hören. »Verbesserung.«
Rica biss sich auf die Unterlippe. Am liebsten hätte sie Eliza den Ordner aus der Hand gerissen und ihn weggeworfen. Sie wollte nicht, dass Eliza das las, was jetzt kam. Zwar wusste sie nicht genau, was in den Papieren stehen würde, aber es konnte einfach nichts Gutes sein.
Aber Rica riss sich zusammen. Es ist ihr Leben. Eliza soll selbst entscheiden können, was sie über sich erfährt.
»Ich hab die Videodatei«, murmelte Nathan neben ihnen, und sowohl Eliza als auch Rica zuckten zusammen. Sie hatten tatsächlich vollkommen vergessen, dass er da war. »Ich versuche mal, den Teil zu löschen, wo wir drauf sind.«
»Wird das nicht auffallen? Ich meine, wenn da einfach ein Stück vom Film fehlt?«, wollte Rica wissen.
»Sicher. Aber ich muss das Ding eh ausschalten, damit wir ungesehen wieder rauskönnen. Dann wird er wissen, dass jemand hier gewesen ist. Alles, worauf wir hoffen können, ist, dass er nicht weiß, wer es war.« Nathan sah vom Bildschirm auf zu Eliza und Rica herüber. Als er den Ordner erblickte, runzelte er die Stirn, dann wandte er sich an Rica. »Sei so gut
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