Optimum - Kalte Spuren
sie am Fuß dieses kleinen Hügels einen dunklen Fleck ausmachen, der verdächtig wie eine Tür aussah.
»Ein Unterstand.« Zum ersten Mal seit Langem meldete sich Eliza wieder zu Wort. Sie starrte über die Fläche auf den Hügel, und ihre Stimme klang fast ein wenig hoffnungsvoll.
»Das ist mehr als ein einfacher Unterstand«, meinte Nathan. »Wenn er sich hier vor dieser Scheißkälte verkriecht, muss das schon eine echte Luxusunterkunft sein. Vor allem, wenn er sich wirklich schon seit Wochen hier herumtreiben sollte.«
In seiner Stimme lag so viel Zweifel, dass Rica ihn fragend ansah. »Ich glaube immer noch, dass ihn irgendjemand nur unsertwegen hierhergeschickt hat«, erklärte er. »Und dass er kein Psychopath ist.«
»Und was machen wir jetzt?«, wollte Eliza wissen. Sie starrte immer noch sehnsuchtsvoll in Richtung des Unterstands. »Ich meine, wenn er da ist und wir einfach über diese freie Fläche spazieren, dann sieht er uns doch sofort.«
Rica blickte ebenfalls auf den Unterstand. Aus dem Schnee ragte ein kurzes, dickes Rohr, über das sie sich erst einmal ein wenig den Kopf zerbrach, bis sie auf seine Funktion kam. »Ein Schornstein«, sagte sie. »Er raucht nicht. Meint ihr nicht, dass er in seiner Hütte Feuer machen würde, wenn er da wäre.«
Nathan runzelte die Stirn. »Also für besonders sicher halte ich diese Annahme –« Aber Rica ließ ihn nicht zu Ende sprechen. Kurz entschlossen trat sie auf die Schneefläche hinaus. Sie hatte es satt, hier herumzustehen, und vor allem hatte sie es satt, wie ein Schäfchen hinter Nathan her zu laufen und sich seiner Führung zu überlassen.
Einen Augenblick lang erwartete sie beinah, einen Schuss zu hören, oder eine Sirene, die ihre Annährung ankündigte, irgendetwas. Doch nichts passierte, der Unterstand lag still und unschuldig da. Also gab sie sich einen Ruck und marschierte los, so schnell es der Schnee zuließ. Jetzt, wo sie einmal hier war und diesen Unterschlupf gesehen hatte, war ihre Angst auf einmal wie weggeblasen. Sie war sich fast sicher, dass Nathan recht hatte. Welcher Serienmörder baute sich schon so eine Unterkunft, nur in der Hoffnung, dass bald Opfer für ihn in der Nähe auftauchen würden?
Sie achtete nicht darauf, ob die anderen ihr folgten, aber schon bald hörte sie den Schnee hinter sich knirschen und konnte sich einer gewissen Erleichterung nicht erwehren. Sie war nicht allein. Sie hatte Freunde. Was auch passieren sollte, sie würden es zusammen durchstehen.
Der Weg zum Unterstand war kürzer, als es vom Wald aus den Anschein gehabt hatte, und ziemlich gut geräumt. Je weiter sie kamen, desto seltsamer kam Rica die Sache vor. Das hier war alles viel zu korrekt. Als wäre ein Stadtplaner oder ein Architekt am Werk gewesen.
Der Unterschlupf erwies sich als so etwas wie ein Bunker, vielleicht tatsächlich ein Überbleibsel aus irgendeinem Krieg, das dann umgebaut worden war. Eine Betonwand mit einer massiv aussehenden Metalltür erhob sich vor ihnen aus einer Schneewehe, darüber türmte sich der Schnee auf einem halbrunden Dach, aus dem der Schornstein ragte. Sonst war von dem Gebäude nicht viel zu sehen, offensichtlich war ein guter Teil davon in den Hang hineingebaut. Fenster gab es keine, aber über der Tür war das unverwechselbare »Auge« einer Kamera zu erkennen. Rica starrte entsetzt hinauf.
»Wir versuchen reinzukommen«, meinte Nathan, der ihrem Blick gefolgt war. »Bestimmt werden die Aufnahmen drinnen aufgezeichnet, vielleicht können wir sie löschen.«
»Du glaubst doch selbst nicht, dass wir da einfach so reinspazieren können«, erwiderte Rica, doch noch bevor sie den Satz ganz zu Ende gesprochen hatte, hatte Eliza sich schon an ihr vorbeigedrängt und eine Hand auf die Klinke gelegt. Lautlos schwang die Tür auf und gab den Blick in einen dämmrigen Innenraum frei.
Rica blinzelte verwirrt, doch Eliza wartete gar keine Reaktion ab, sondern trat einfach ins Innere. Jetzt ist auch alles egal, dachte Rica und folgte ihr.
Dunkel. Das war ihr erster Eindruck. Dunkel und bedrückend. Muffige Luft schlug ihnen entgegen. Es roch wie in einem alten Keller nach feuchten Klamotten, Beton und Heizung. Im dämmrigen Licht war kaum etwas zu erkennen, nur große dunkle Umrisse vor einem wenig helleren Hintergrund. Ein leises Klicken und Summen sagte Rica, dass hier irgendwo ein Computer lief.
Licht flammte auf, und die plötzliche Helligkeit ließ Rica blinzeln.
»Hey!« Sie drehte sich zum Eingang um und sah,
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