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Optimum - Kalte Spuren

Optimum - Kalte Spuren

Titel: Optimum - Kalte Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Bicker
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würde.
    »Verschwinde von hier!«, rief sie und ärgerte sich im gleichen Moment darüber, wie sehr ihre Stimme zitterte. »Du machst uns keine Angst. Wir sind viel zu viele für dich.«
    Keine Reaktion. Der dunkle Mann blieb stehen und schien Rica anzusehen. Er schwankte ganz leicht hin und her, als ob er betrunken wäre, aber er gab keinen Laut von sich.
    Über ihr quietschte eine Diele, und Rica zuckte erneut zusammen. »Was ist denn da unten los?«, wollte eine Stimme wissen.
    »Hier ist …« , begann sie, doch dann fiel ihr Blick auf die Beine des Mannes. Besser gesagt, auf die fehlenden Beine. Irgendwo unterhalb der Hüfte endete die Gestalt ganz plötzlich. Sie stand nicht auf dem Boden. Sie hatte keine Beine. Ricas Blick wanderte nach oben, und jetzt konnte sie selbst in der Dunkelheit die Linie erkennen, die vom Hals des »Mannes« bis zur Decke verlief.
    Es war überhaupt kein Mensch. Jemand hatte hier einen Sack oder etwas Ähnliches aufgehängt, irgendwas, das mit etwas Schwerem gefüllt war und das in der Dunkelheit und Ricas wachsender Panik menschenähnlich gewirkt hatte. Vermutlich war auch genau das seine Absicht gewesen.
    »Arschloch«, murmelte Rica verärgert, mehr über sich und ihre Angst als über den unbekannten Witzbold. »Ist alles okay, ich hole jetzt Frau Friebe«, rief sie nach oben.
    »Beeil dich!«, kam die Antwort zurück, dann quietschten wieder die Dielen, als sich Schritte entfernten.
    Rica fühlte sich auf einmal schrecklich allein. »Mistkerl«, murmelte sie noch einmal in die Dunkelheit, dann ging sie langsam vorwärts, schob sich an der Vogelscheuche vorbei und tapste weiter durch den dunklen Raum, bis sie die Tür erreichte, hinter der der kurze Flur mit den Lehrerzimmern begann.
    Rica schob sie auf und tastete automatisch nach dem Lichtschalter. Obwohl sie überhaupt nicht mehr daran geglaubt hatte, flammte tatsächlich das Licht auf. Rica blinzelte in die plötzliche Helligkeit und konnte nicht umhin, sich noch einmal umzudrehen. Das Licht, das aus dem Gang in den Aufenthaltsraum fiel, reichte aus, um die aufgehängte Puppe ein wenig zu beleuchten.
    Es war ein Kartoffelsack, den jemand mit einer Schicht Kleider versehen hatte. Frauenkleider. Keine Mädchenkleider. Ein geblümtes Hauskleid, das Rica schon einmal an Frau Friebe gesehen hatte, und ihre Skijacke. Ein Teil des Kartoffelsacks war abgeschnürt und bildete einen »Kopf«. Auf diesen Kopf hatte der Unbekannte eine Art Perücke aus Schaffell gesetzt. Krause, gelblich weiße Locken, die der Frisur von Frau Friebe zum Verwechseln ähnlich sahen.
    Rica stand einfach nur da und starrte das Ding an. Dann wirbelte sie herum und rannte zur Tür von Frau Friebe. Mit zitternden Knien kam sie davor zum Stehen und begann, mit den Fäusten dagegen zu hämmern.
    »Frau Friebe! Frau Friebe! Kommen Sie, schnell!« Ricas Stimme schlug vor Panik in ein helles Quietschen um.
    Doch hinter der Tür blieb es ruhig. Frau Friebe antwortete nicht.

Kapitel vierzehn
    Kälte
    Ricas Herz raste, und ihre Augen brannten. Sie konnte den Heulkrampf in der Kehle aufsteigen spüren und schluckte ihn gewaltsam herunter. Noch konnte das alles ein blöder Scherz sein, vielleicht hatte Frau Friebe wieder ein Schlafmittel genommen und so die ganze Aufregung einfach nicht gehört. Vielleicht liegt sie aber auch blutend in ihrem Bett.
    Rica schüttelte den Gedanken ab und drückte die Klinke herunter. Die Tür schwang auf und gab den Blick in ein dunkles Zimmer frei. Ein schmaler Streifen Licht fiel aus dem Flur hinein und zeichnete die Umrisse eines schmalen Bettes, eines Kleiderschranks und eines Schreibtisches in der Dunkelheit ab.
    Im Bett lag keine Leiche. Im Bett lag überhaupt niemand. Eine Tagesdecke war sorgfältig darüber gebreitet und glatt gezogen worden, neben dem Bett standen ein Rollkoffer und Frau Friebes Handtasche neben ihren Hausschuhen.
    Das Zimmer war leer.
    Rica blinzelte in die Dunkelheit, schaltete das Licht ein, um sich zu vergewissern, dass auch wirklich niemand da war, und trat einen Schritt in den Raum hinein. Es fühlte sich seltsam an, in das Zimmer eines Lehrers zu gehen, auch wenn er gar nicht da war.
    »Hallo ?« , fragte sie mit zitternder Stimme. Sie ging noch ein Stück weiter und sah hinter die Tür. Dummes Huhn! Als ob Frau Friebe sich zum Spaß hinter der Tür versteckt hält.
    Rica merkte, dass sie zitterte. Es war eisig in dem kleinen Raum, aber es war nicht allein die Kälte. Dieses leere Zimmer machte ihr eine

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