Optimum - Kalte Spuren
Fenster. Draußen war es inzwischen dunkel, aber im Schein der schummrigen gelben Außenbeleuchtung der Hütte konnte man immer noch den andauernden Schneefall sehen. Ein Stück weiter von der Hütte entfernt hatten sich bereits richtiggehende Schneewehen angesammelt. Rica musste einen Anflug von Panik unterdrücken. Wir werden schon nicht einschneien. Das hier ist doch kein schlechter Horrorfilm.
»Schnee sollte keinen Einfluss auf den Empfang haben«, widersprach Eliza. Sie runzelte die Stirn und drückte ein paar Tasten auf ihrem Handy, offensichtlich ohne den geringsten Erfolg. Sie steckte es wieder weg. »Wen wolltest du eigentlich anrufen?«
»Niemanden«, erwiderte Rica. »Ich wollte ins Netz.« Wieder warf sie einen Blick in Saskias Richtung. Wenn sie Eliza jetzt erzählte, dass sie nach ihr und ihrem seltsamen Bruder Felix googeln wollte, dann hörte sie sich sicher an wie eine eifersüchtige Zicke. Dabei war es das gar nicht. Na gut, nicht nur. Natürlich war sie ein bisschen sauer über all die Aufmerksamkeit, die Robin dieser Kuh schenkte, aber ihr Auftauchen hier und das wenige, das sie über ihren Bruder aufgeschnappt hatte, hatten Rica wieder daran erinnert, was sie tatsächlich machen wollte: mehr über die Daniel-Nathans-Akadamie und die seltsamen Vorgänge an der Schule zu erfahren.
Eliza schenkte ihr einen dieser unheimlichen, wissenden Blicke, als könne sie wieder mal direkt Ricas Gedanken lesen, doch sie sagte nichts dazu. »Vielleicht gibt es ein Stück weiter oben am Hang Empfang«, meinte sie stattdessen.
Rica starrte weiterhin das Fenster an. »Die lassen uns heute Abend niemals noch mal raus«, entgegnete sie.
»Warum denn heute Nacht? Du kannst doch genauso gut morgen auf dem Weg zur Piste nachsehen.«
»Ich brauche ein bisschen Zeit«, knurrte Rica. Außerdem wollte sie unbedingt noch einmal raus an die frische Luft. Hier drinnen hatte sie das Gefühl, nicht mehr frei atmen zu können.
»Was ist heute Nacht?« Robin tauchte wie aus dem Nichts auf, scheuchte ein paar kleinere Schüler beiseite und quetschte sich auf Ricas andere Seite.
»Würde ich auch gerne wissen.« Nathan ließ sich neben Robin fallen, beugte sich vor und grinste Rica über den Tisch hinweg an. Sie konnte nicht anders als zurückzugrinsen.
»Ich will ein Stück den Hang hinauf«, antwortete Rica.
»Warum?« Robin warf einen Blick aus dem Fenster. »Ich dachte, du hasst Kälte?«
Rica musste lächeln, weil es ihm gelungen war, sich dieses Detail zu merken, obwohl sie nur einmal darüber gesprochen hatten. »Ich habe grad festgestellt, dass wir hier keinen Handyempfang haben, und möchte sehen, ob es weiter oben besser ist«, erklärte sie. »Nur, falls wir das im Notfall mal gebrauchen können«, fügte sie rasch hinzu, als sie Robins verwunderten Blick sah.
»Die haben hier auf der Hütte doch sicher ein Telefon«, meinte er. »Warum bereitest du dich denn jetzt gerade auf irgendwelche Notfälle vor, wenn ich fragen darf?«
Rica zuckte mit den Schultern. Das geht dich nichts an, lag ihr auf der Zunge, aber Robin konnte schließlich nichts für ihre Laune. »Lass es uns einfach machen«, erwiderte sie stattdessen. »Ist doch sicher auch nicht unspannend. Mal sehen, wie weit wir kommen.« Nicht unromantisch, hätte sie am liebsten gesagt, aber nicht, wenn Eliza und Nathan direkt neben ihnen saßen und bestimmt noch ein halbes Dutzend jüngerer Schüler neugierig die Ohren aufsperrten.
Robin schenkte ihr einen skeptischen Blick. »Wir werden uns was abfrieren«, meinte er, doch seine Stimme klang schon viel versöhnlicher. »Es ist hundekalt da draußen.«
»Also, ich komme mit«, sprang Nathan ein. »Nachtwanderung im Schnee. Klingt super.« Rica schenkte ihm einen dankbaren Blick, wandte sich aber rasch wieder ab, als sie Robins Gesichtsausdruck sah.
»Ich bin auch dabei«, sagte er schnell. Wahrscheinlich, um Rica nicht allein mit Nathan gehen zu lassen. Rica drehte sich zu Eliza um, doch die schüttelte nur den Kopf.
»Ist mir zu kalt«, gab sie zu. »Sagt mir einfach Bescheid, wenn ihr etwas herausgefunden habt.«
Ein bisschen enttäuscht war Rica schon, aber schließlich konnte sie Eliza zu nichts zwingen. Sie hätte sich nur wohler gefühlt, wenn sie nicht mit diesen beiden Streithähnen allein unterwegs gewesen wäre.
»Okay«, meinte sie. »Gehen wir gleich, so lange hier noch das Chaos vorherrscht?« Inzwischen war die Küchencrew nämlich mit einer zweiten Ladung Pizzableche hereingekommen,
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