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Optimum - Kalte Spuren

Optimum - Kalte Spuren

Titel: Optimum - Kalte Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Bicker
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und alle waren wieder in heller Aufruhr.
    Nathan warf einen bedauernden Blick in Richtung Pizza, doch Rica packte seinen Arm und zog ihn einfach mit sich. »Ich hab noch ein bisschen was zu Essen dabei, wir können uns nachher zusammensetzen«, meinte sie. »Besser, wir gehen jetzt, wo die Betreuer alle Hände voll zu tun haben.« Mit einem Seufzen gab er nach, und ließ sich zur Vordertür ziehen. Robin folgte ihnen wie ein wachsamer Hund.
    Hinter ihnen erklangen die Stimmen von Herrn Röhling und Frau Friebe, die vergeblich die Schüler immer wieder zur Ordnung riefen und zu zivilisiertem Benehmen aufforderten. Ohne besonderen Erfolg. Rica grinste. Schüler waren manchmal so leicht zu durchschauen, dass sie sich fragte, wie überhaupt ein Lehrer mit ihnen Schwierigkeiten haben konnte.
    Die Kälte traf Rica völlig unvorbereitet. Sie schlug die Kapuze ihres Parkas hoch und vergrub die Hände in den Jackentaschen. Trotzdem kam es ihr so vor, als müsste im nächsten Moment ihre Nase vor Kälte einfach abfallen. Jeder Atemzug brannte wie Feuer in ihren Lungen.
    Sie gingen schweigend bergan. Es war einfach nicht die richtige Zeit und der richtige Ort für lange Unterhaltungen. Der tiefe Neuschnee knirschte unter ihren Schuhen, sonst war kein Geräusch zu hören.
    Die winterliche Landschaft hatte etwas Unwirkliches. Alles war so weiß, dass es trotz der Dämmerung wie ein überbelichtetes Foto wirkte. Die Bäume schienen das einzig Dunkle in der ganzen Umgebung zu sein: schwarz und ein wenig bedrohlich. Eine leichte Brise trieb den Pulverschnee über die vereisten Schichten darunter und hüllte alles bis auf Kniehöhe in eine glitzernde Wolke. In der Kälte waren die Geräusche gleichzeitig gedämpft und sonderbar klar. Ricas Atem schwebte in kleinen Wolken vor ihrem Mund.
    Die Minuten vergingen. Je weiter sie sich von der Hütte entfernten, desto tiefer und unberührter wurde der Schnee. Bald stapften sie durch kniehohe Wehen, und vom Himmel fiel immer noch mehr herab, lautlos und kalt.
    »Wie hoch willst du?« Nathan sprach gedämpft, dennoch ließ der Klang seiner Stimme Rica zusammenzucken. Menschliche Worte schienen nicht in diese eisige, stille Welt zu gehören.
    »Keine Ahnung«, erwiderte sie. »Bis ich Empfang habe.« Sie zog die Hände aus den Parkataschen und holte ihr Handy hervor. Noch immer zeigte es keinen einzigen Balken in der Verbindungsanzeige. »Höher«, meinte sie, steckte das Telefon weg und stapfte weiter.
    Wieder schwiegen sie eine Weile. Sie erreichten einen Waldrand und blieben einen Moment lang stehen, bevor sie sich weiterwagten. Es war dunkel im Wald. Lange Schatten lagen über dem Schnee und färbten ihn bläulich. Es war so still, dass selbst ihre Schritte kilometerweit zu hören sein mussten. Rica hatte das seltsame Bedürfnis, laut zu singen, um die Stille zu vertreiben.
    »Wir müssen hier wirklich am Ende der Welt sein«, murmelte Robin. »Es ist so still wie in einem Grab. Wenn uns hier etwas passiert, bekommen die das im Tal nie mit.«
    Rica schüttelte sich. Musste er das jetzt sagen? »Was glaubt ihr, die Geschichte mit dem Psychopathen, stimmt die?«
    »Wenn hier draußen ein Psychopath ist, dann hat er sich schon längst den Arsch abgefroren.« Nathan klang unbekümmert, als berühre ihn diese unheimliche Situation überhaupt nicht. »So wie wir bald, wenn du dich nicht ein bisschen beeilst. Hast du denn immer noch keinen Empfang?«
    Erneut blieb Rica stehen und checkte ihre Anzeige. Nichts. Sie blickte sich um, den Weg zurück, den sie gekommen waren. Ihre Spuren waren die einzigen weit und breit in der unberührten Schneedecke. Sie fragte sich, wie weit sie sich eigentlich schon vom Haus entfernt hatten. Ihr kam es so vor, als seien sie schon ewig unterwegs, aber wahrscheinlicher war, dass sie noch gar nicht so weit gekommen waren.
    Sie sah wieder nach vorn. Ein Stück weiter oben am Hang ragte ein riesiger, schneebedeckter Felsblock aus der Erde. Er erinnerte an einen mahnenden Zeigefinger. »Bis dahin noch«, sagte Rica und zeigte nach vorn. »Dann können wir meinetwegen zurück.«
    »Ich weiß sowieso nicht, warum dir der Mist so wichtig ist«, brummte Robin. Wenn Rica ehrlich sein sollte, wusste sie das selbst nicht mehr recht. Natürlich, es hatte angefangen, weil sie neugierig gewesen war, und weil sie das Gefühl hatte, unbedingt Internet zu brauchen. Und weil sie den Verdacht hegte, dass hier etwas nicht stimmte. Aber selbst wenn das alles zutraf, blieb immer noch die

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