Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
Fingerspitzen die pochende Stelle berührte, und sie zuckte zusammen. Als sie ihre Hand zurückzog, klebte Blut an ihren Fingerspitzen. Rica sah sich um. Ihre Augen hatten sich inzwischen an das Dämmerlicht gewöhnt, und sie sah, dass sie im flachen Wasser in der Nähe eines großen Bootes hockte. Der feine Sand um sie herum war dunkel eingefärbt.
»Ich kann mich nicht genau erinnern«, gab sie schließlich zu. »Da war dieser Schlag, und dann war ich noch mal wach, und da war so viel Blut … Ich dachte, wenn ich ins Wasser gehe, gerinnt es vielleicht. Ich hab mal so was gelesen.«
»Wo, in einem Abenteuerroman?« Eliza schnaubte, es hörte sich halb wie ein Schluchzen an. »Du bist eiskalt, Rica, du hättest dir den Tod holen können.«
»Ich bin mir sicher, das war die Absicht der Typen.« Rica merkte, wie es ihr mit jedem Wort langsam besser ging. Als bringe sie das Reden erst wieder richtig ins Leben zurück. Wieder tastete sie nach der schmerzenden Stelle und war dieses Mal vorbereitet auf den scharfen Stich. Ihre Finger waren jetzt nicht mehr ganz so blutig.
»Warum bist du ins Bootshaus geschwommen?«
Rica sah sich wieder um. Da war sie also! Hätte sie ja auch gleich drauf kommen können. »Weiß nicht. Vielleicht hab ich’s gar nicht getan. Vielleicht hat mich die Strömung reingetragen.« Sie sah an sich herunter. Allmählich begann sie, die Kälte zu spüren. Sie hatte immer noch nur den Badeanzug an. »Wir sollten hier verschwinden.«
»Ich sollte dir einen Arzt holen, das ist es«, meinte Eliza und hielt das Handy hoch. »Leider hat das Ding dann doch den Geist aufgegeben.«
»Gut so«, murmelte Rica. »Ich will keinen Arzt.«
»Du hast eine Platzwunde.«
»Die schon wieder zu bluten aufgehört hat. Ein Arzt stellt zu viele Fragen.«
»Du spinnst.« Rica konnte nicht sehen, wie Eliza die Augen verdrehte, aber sie wusste, dass sie es tat.
»Kann sein. Lass uns gehen. Wir können irgendwo darüber reden, wo es wärmer ist.«
Eliza zögerte. Rica konnte ihren Widerwillen geradezu spüren. Doch dann seufzte sie, erhob sich und ging zur Tür hinüber. Rica hörte es krachen, gleich darauf strömte helles Licht ins Innere des Bootshauses.
»Dann komm, wenn du es so eilig hast!«, rief Eliza.
Rica blieb noch einen Moment sitzen und starrte auf das Wasser zu ihren Füßen. Es war rot.
Kapitel vier
Rätsel
»Ihr müsst beide zum Arzt!« Frau Gerritsen sah von Rica zu Eliza und wieder zurück. Beide hockten in warme Decken gehüllt im Café. Eine der Bedienungen hatte ihnen zwei Tassen heiße Schokolade hingestellt und beobachtete die Szene jetzt neugierig von der Theke aus.
»Es ist nichts. Es hat schon zu bluten aufgehört, und bei Platzwunden kann man da eh nichts mehr machen«, meinte Rica und nippte an ihrem Kakao. Heiß und süß. Ein wunderbares Gefühl. Wenn ihr Kopf nicht immer noch so sehr geschmerzt hätte.
»Aber das muss doch untersucht werden. Ich bringe euch zum Schularzt.«
Rica verdrehte die Augen. Sie wollte nicht zum Arzt. Der würde nur noch mehr Fragen stellen, wie das passiert war, und sie hatte keinen Nerv, noch länger zu lügen. Ihr war immer noch ein bisschen schwindelig, aber tatsächlich war an dem, was sie Frau Gerritsen gesagt hatte, etwas Wahres dran. Sie würde sich erholen. Und sie glaubte nicht, dass sie bleibende Schäden davontragen würde. Außerdem traute sie dem Schularzt nicht mehr. Sie wusste, dass er mit Frau Jansen unter einer Decke steckte.
Es reicht mir, wenn man einmal am Tag versucht, mich auszuschalten. Denn das war es gewesen, da war sich Rica sehr sicher. Jemand versuchte, sie zum Schweigen zu bringen.
Warum nur?
Frau Gerritsen zog ihr Handy aus der Jackentasche. »Ich rufe ihn gleich an. Am besten holt er euch hier ab.« Sie begann, eine Nummer einzutippen.
»Das ist wirklich nicht nötig, Frau Gerritsen.« Elizas Stimme klang schwach und ein wenig piepsig, aber dennoch konnte Rica die Überzeugungskraft darin hören. Sie warf einen Seitenblick auf ihre Freundin. Eliza hatte selten jämmerlicher ausgesehen. An Frau Gerritsens Stelle hätte Rica jetzt erst recht den Arzt angerufen. Stattdessen ließ diese ihr Handy sinken und sah Eliza lange an.
»Bist du dir sicher? Ihr seid ganz schön mitgenommen. Ich muss doch dafür sorgen …«
Eliza schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf. »Sie haben schon alles getan, was nötig ist. Vielen Dank. Uns geht es gut. Sie müssen sich nicht um uns kümmern.« Immer noch war ihre Stimme leise, ihre
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