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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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ihm im Gras. Kronus hatte oft genug davon gesprochen, dass ihn eines Tages die Bücherjäger aufspüren, seine Bibliothek vernichten, ihn selbst verschleppen oder gleich an Ort und Stelle töten würden. Und doch kam Amos, wie er so am Seeufer saß, gerade diese maßlose Verwüstung des einstigen Mühlhofs besonders unwahrscheinlich vor. Conntz Rabensteinergalt als gerechter und ordnungsliebender Amtmann, der solcherlei Gräuel gewiss nicht gutheißen würde. Sein oberster Fürst allerdings, Markgraf Friedrich der Ältere, war für seine Prunk- und Verschwendungssucht berüchtigt – Amos hatte Onkel Heribert mehr als einmal schimpfen hören, der Fürst leere die Taschen seiner Untertanen so gründlich, dass selbst für Wegelagerer nur noch wenig übrig bliebe. Und trotzdem, überlegte er weiter, hätte auch der Markgraf Friedrich diesen Feldzug gegen einen arg- und wehrlosen Gelehrten bestimmt nicht gebilligt.
    Sehnsüchtig wünschte sich Amos geradezu, dass er sich nun einfach auf den Rückweg machen und Kronus besuchen könnte – und dass alles wie früher wäre. Aber nichts würde jemals mehr wie früher sein. Ohnehin war nur wenig so gewesen, wie es für ihn den Anschein gehabt hatte. Seine Eltern waren nicht die zufälligen Opfer irgendwelcher Mordbrenner, sondern von Hauptmann Höttsche getötet worden. Auch Kronus hatte es offenbar nicht durch einen mehr oder weniger glücklichen Zufall auf den einstigen Mühlhof verschlagen, sondern weil die Edlen von Hohenstein zumindest in alten Zeiten Förderer der Schriftgelehrsamkeit gewesen sein mussten – anders ließ sich die Schriftrolle auf dem verborgenen Wappen ja gar nicht erklären. Und auch Amos’ eigene Verpflanzung nach Burg Hohenstein war keineswegs ein blindes Spiel des Zufalls, sondern allem Anschein nach von langer Hand geplant – von der Hand jener würdigen Herren, die ihn schon als kleinen Knaben aus seinem Vaterhaus fortführen wollten. Nach Burg Hohenstein? Und zu welchem Zweck? Hatte ihr Plan etwa vorgesehen, dass er schon mit sieben, acht Jahren zu einem Schüler oder »geistigen Sohn« von Valentin Kronus werden sollte – damit der alte Mann da schon die Gaben der Magie in ihm erwecken konnte?
    Amos spürte, dass er mit diesen Gedanken zumindest einen Zipfel des Schleiers zu fassen bekam. Aber jetzt begann sich in seinem Kopf alles zu drehen. Nachdem sein Hunger und sein Durst gestillt waren, spürte er erst so richtig, wie müde er war.
    Fast den ganzen Tag lang war er ununterbrochen gerannt, und in der Nacht davor hatte er kein Auge zugetan. Nun gähnte er so heftig, dass ihm der Mund beinahe offen stehen blieb. Aber er musste wach bleiben, bis er einen sicheren Unterschlupf gefunden hatte – keine Sekunde lang durfte er das vergessen. Bestimmt hatten die Bücherjäger ihre Suche nach ihm ja schon aufgegeben, und falls sie noch irgendwo in der Wildnis herumirrten, dann mussten sie viele Meilen von ihm entfernt sein. Aber er durfte trotzdem nicht den Fehler machen, hier im Ufergras einzuschlafen.
    Er würde jetzt ein wenig schwimmen, damit er wieder frischer würde. Im See konnte er dann auch gleich seine alten Kleidungsstücke auswaschen, bevor er die neuen Sachen anzog. Aber langsam – erst einmal musste er sich anschauen, was Kronus da überhaupt zum Anziehen für ihn eingepackt hatte. Eigentlich war es ja sowieso erstaunlich, wie kenntnisreich der alte Mann für ihn ein Bündel gepackt hatte mit allem, was man für eine Flucht durch Wald und Flur so brauchte.
    Jede Faser seines Körpers summte vor Müdigkeit. Gleich nach dem Schwimmen würde er sich seine Umgebung gründlicher ansehen: Bestimmt gab es hier irgendwo eine verlassene Höhle oder zumindest einen hohlen Busch, wo er die Nacht verbringen könnte.
    Er zog die neuen Kleidungsstücke aus seinem Bündel – Hosen, Hemd, Wams aus ungefärbtem Leinen. Nichts fehlte und alles sah genau so wie die Sachen aus, die er sonst immer trug, nur eben sauber und neu. Aber konnte er es wirklich wagen, in diesem See zu baden – während die Bücherjäger womöglich immer noch irgendwo da draußen im Wald herumstolperten? Nun wurde es Amos doch wieder etwas mulmig. Um sicherzugehen, dass Skythis und sein hinkender Gehilfe ihm keine böse Überraschung bereiten könnten, würde er sein Bündel vorher an einem sicheren Ort verstecken. Er stopfte seine Siebensachen in den Beutel zurück, schob mit Mühe auch noch das Buch hinein und nahmdann den Knotenstrick zur Hand. Während er das Seil um

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