Opus 01 - Das verbotene Buch
Aber warum hat er dir dann befohlen, wie ein Mönch zu leben?
Als Erstes soll ich meine inneren Kräfte durch
Das Buch der Geister
erwecken lassen – vor allem die Kräfte der Gefühls- und Gedankenmagie. Deshalb hat er mir diese Regel auferlegt. Und ich weiß noch wortwörtlich, was Kronus anschließend zu mir gesagt hat: »Wenn du diese Stufen gemeistert hast und in deinem Innersten bereit bist, zur dritten Stufe weiterzuschreiten – dann werdet ihr von selber wissen, wie ihr eure Herzensdinge weiter handhaben wollt.«
Und du glaubst, dass dein geheimnisvoller Weiser mit diesem ›ihr‹ uns beide gemeint hat? Klaras Lächeln wurde spöttisch. Warten wir’s ab. Jedenfalls ist mir in meinem ganzen Leben kein Bursche so wild hinterhergerannt wie damals du in Nürnberg.
Darüber mussten sie beide lachen. Doch kurz darauf waren vom Hof her Schritte und die scheltende Stimme der alten Josepha zu hören, und da fiel Amos wieder ein, was er Klara hatte erzählen wollen.
Ich weiß jetzt, wohin wir mit dem Buch gehen müssen. Das heißt – eigentlich weiß ich es nicht.
Sie sah ihn fragend an und wollte offenbar schon wieder loskichern, aber diesmal blieb Amos ernst. Bevor sie aufbrachen, musste er mit ihr noch in den Keller unter der Ruine hinabsteigen, und allein schon bei diesem Gedanken verging ihm alle Lachlust und Leichtigkeit.
Hör bitte zu, Klara. Ich glaube, ich habe heute Nacht eine Botschaft bekommen.
Augenblicklich wurde auch Klara ernst. Alles geschieht so, wie es Mutter Sophia vorausgesagt hat. Lass hören, Amos .
Er schloss halb die Augen und berichtete ihr so genau wie nur möglich, was er in der Nacht gesehen hatte.
Sie beide, er und Klara, steigen auf einen Berg, der hat die Form eines Kegels und ragt neben einer Stadt auf. Die Stadt ist prachtvoll, mit vielerlei Türmen und stattlichen Häusern, aber sie ist viel kleiner als Nürnberg, wenngleich größer als Wunsiedel. Oben auf dem Berg steht eine prächtige Burg mit einem hohen, schlanken Turm. Sie gehen zum Burgtor, und dort bittet Amos die Wächter, sie dem Herrn Hofkaplan zu melden. Einer der Wächter fragt ihn nach seinem Namen, und er antwortet: »Amos von Hohenstein.« Daraufhin werden sie unverzüglich eingelassen und der zweite Wächter geleitet sie zu einem Seitengebäude, das allerdings recht unscheinbar ist. »Wartet hier«, weist sie der Wächter an, »bis der Herr Hofkaplan für Euch Zeit hat.« Sie setzen sich und schauen sich um, die Wände sind kunstvoll mit allerlei Szenen aus der Bibel bemalt. In der hinteren Wand ist eine Flügeltür, hinter der ab und an gedämpfte Stimmen zu vernehmen sind. Endlich geht diese Tür auf und ein hochgewachsener Mann, schlank und noch jung an Jahren, tritt zu ihnen heraus. Er trägt einen grünen Hut und einen weiten, schimmernd schwarzen Umhang. Düsterkeit umgibt diesen Mann, und als er auf sie zugeht, fährt Amos zusammen und fühlt etwas Eiskaltes durch seine Adern bis in sein Herz hinein kriechen: Die Augen jenes Mannes sind von einem übernatürlich strahlenden Blau, kalt und durchbohrend wie Pfeile aus Eis.
Mir wird jetzt noch ganz unheimlich zumute, wenn ich an diesen Mann denke. Nur mit der allergrößten Mühe konnte ich mich aus seinem Bann befreien, als wir kurz darauf in das Empfangszimmer des Hofkaplans geführt wurden. Und weiter weiß ich nichts, Klara – weder wie die Sache ausgeht noch wo sie sich überhaupt zutragen soll .
Mit offenkundiger Bewunderung sah Klara ihn an. Deine Gaben sind noch großartiger, als ich es nach Mutter Sophias Andeutungen erwartet hatte . Doch dann blitzten ihre Augen abermals spöttisch auf. In der hiesigen Welt kennst du dich allerdings nicht ganz so gut aus, mein Auserwählter. Jener schlanke Turm steht auf dem Kegelberg bei Bamberg und er gehört zur Burg von Fürstbischof Georg, wie eigentlich jedes Kind hierzulande weiß . Sie ballte ihre Hand zu einer zierlichen Faust und schlug ihm spielerisch gegen die Brust. Bischof Georg III. ist einer der mächtigsten Herrscher Frankens und hat überdies den Ruf, ein Freund der Gelehrsamkeit und ein Förderer der schönen wie auch der geheimen Künste zu sein .
Dann lass uns sofort aufbrechen. Von hier bis Bamberg ist es ein weiter Weg – das weiß sogar ich . Er war er ein wenig gekränkt, weil sie über seine Weltfremdheit gespottet hatte. Dabei hatte sie ja recht und er war unendlich froh, dass sie einander gefunden hatten.
10
S
ie sammelten ihre Siebensachen ein.
Dank der dicken
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