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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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scheint. Denn dann wäre Das
Buch der Geister
nichts anderes als das Satanswerk, das die Bücherjäger in ihm sehen, und wir beide wissen, dass das nicht stimmt. Es weckt die guten Kräfte in denen, die es gelesen und zuinnerst verstanden haben. Es hilft uns, einander näher zu sein und besser zu verstehen. Aber es stiftet keine Verwirrung und keine Zwietracht, wie es ein Höllenbuch tun würde.
    Aber warum mussten sie dann sterben?
    Ich weiß es nicht, Klara, und ich schwöre dir: Wir werden es herausfinden.
    Das werden wir, lieber Amos. Klara lächelte in sich hinein. Sie hatte sich schon damals in Nürnberg in ihn verliebt – als sie aufder Straße lag und er sich über sie beugte und ihr so erschrocken und arglos ins Gesicht sah. Oder vielleicht sogar schon vorher, als Mutter Sophia ihr erklärt hatte, dass sich »der Auserwählte« auf geistigem Weg an sie wenden würde, damit sie ihm half, das kostbarste Buch der Menschheit zu retten.
    Sie fuhren geradewegs durch das wildeste Fichtelgebirge. Amos hätte sich vielleicht gar nicht hinten im Wagen zu verstecken brauchen, denn hier draußen gab es nur Wald und Schluchten und ab und an ein Bergwerk oder einen Steinbruch voll Hämmer schwingender, muskelstarrender Männer, denen Karol meist in weitem Bogen auswich. Aber Amos blieb dennoch unter der Plane, und wenn er seinen Kopf doch einmal darunter hervorstreckte, schaute er als Erstes zum Himmel empor.
    Er fürchtete die Falken. Mit seinem verletzten Fuß konnte ihnen Johannes zwar fürs Erste nicht mehr hinterherhetzen, aber die Bücherjäger konnten immer noch die Raubvögel aussenden, um ihn aufzuspüren.
    Klara mochte nicht recht glauben, dass die Bücherjäger auch nur auf die Idee kommen würden, ihn hier draußen in der Wildnis zu suchen. Selbst wenn sie wüssten, zu welchem Ziel er unterwegs war, würden sie niemals vermuten, dass er sich durch die Berge in Richtung Westen durchschlagen würde – auf dem kürzesten, aber auch auf dem mühseligsten Weg. Um die schroffsten Berge und unwegsamsten Wälder zu umgehen, führten die großen Handelsstraßen südlich des Gebirges über Ebnath und im Norden über Weißenstadt. Erst weit jenseits der Wildnis, in der Gegend von Goldkronach, würden sie wieder auf die Straße treffen, die zur Residenzstadt Bayreuth und von dort weiter über Waischenfeld und Heiligenstadt nach Bamberg verlief.
    Klara bezweifelte, dass Karol, wenn sie das Gebirge hinter sich hätten, noch immer bei ihnen sein würde. Der Puppenspieler fuhr auf Wegen, die so schmal waren, dass ihr Wagen zwischen Fels und Dickicht oftmals kaum hindurchkam. Fast unaufhörlich ging es bergauf, denn ihre Route führte über die sogenannte Heidenkuppe,die mehr als fünftausend Fuß hoch gelegen war. Dort wollte Karol »um den Beistand der Geister bitten«, und was das zu bedeuten hatte, konnte Klara nicht aus ihm herausbringen.
    Doch sie ahnte längst, um welche Art von Hilfe er dort oben flehen wollte. Und wann immer ihre schweifenden Gedanken dieser Ahnung nahekamen, dachte sie rasch an etwas anderes.
    Eigentlich war es ein ungeheurer Glücksfall, dass sie heute früh keine zwei Meilen hinter Wunsiedel auf den Puppenspieler und seinen Planwagen getroffen waren. Klara hatte ihr Pferd gleich an seine Seite gelenkt und schon nach kurzem Wortwechsel waren sie sich einig geworden. Karol konnte ein kräftiges zweites Zugpferd gut gebrauchen, denn seine schwarz-weiß gescheckte Mähre war alt und ausgezehrt und der Weg über die Berge war steil. Wenn Amos und Klara so wie er gen Westen wollten und es vorzögen, die belebteren Straßen zu meiden, so könne man sich zusammentun. Auf jeden Fall könnten sie bis hinauf zur Heidenkuppe gemeinsam reisen – wie es von dort aus weitergehe, müsse sich weisen. Sie hatten die Füchsin neben der Schecke vor den Karren gespannt und waren hinten auf den Wagen geklettert und dort saß Amos immer noch wie seit Stunden, während Klara zuweilen nach vorn auf den Kutschbock kletterte.
    Karol war so wortkarg wie einst ihr Vater und von derselben etwas schwermütigen Freundlichkeit. Die beiden Männer waren sich ansonsten nicht besonders ähnlich, aber viele fahrende Leute waren schweigsam und schwermütig, wenn sie nicht gerade vor dem sesshaften Volk ihre Kunststücke vorführten, ihre Heilsalben oder Handelswaren anpriesen. Die fahrenden Leute waren einander selten grün – reisende Bußprediger empörten sich über das bunte Völkchen der Wanderschauspieler, die auf jeder

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