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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Wiese im Nu ihre Bretterbühnen aufbauten und gottlose Hanswurstiaden aufführten. Die Schauspieler ihrerseits rümpften die Nasen über Feuerschlucker und Säbeltänzer, während die wandernden Chirurgen auf die Wunderheiler herabsahen, die Befreiung von allen Beschwerden durch eine einzige Tinktur oder Salbe versprachen.Doch in einem waren sie alle sich einig: Bei jeder Begegnung mit sesshaften Bauern und Bürgern hieß es wachsam sein.
    Wie schnell Bewunderung und Dankbarkeit in Hass, ja in Blutdurst umkippen konnten, hatte wohl jeder von ihnen schon einmal erlebt oder in grausigen Ausschmückungen erzählen gehört. Gerade in den abgelegenen Weilern des Fichtelgebirges gierten die Sesshaften nach ein wenig Abwechslung, nach fremden Gesichtern und bunten Kostümen, die sie für kurze Zeit aus der Eintönigkeit ihres Daseins erlösten. Doch wenn das Spektakel erst vorbei war, die Zuschauer aus ihrer Verzauberung erwachten, wurden sie nicht selten von furchtsamem Zorn erfasst – auf alle reisenden Leute, die angeblich samt und sonders mit dem Teufel im Bunde waren. Und meist waren es die Priester in den Dorfkirchen, die diesen abergläubischen Hass auf das fahrende Volk schürten.
    Auch Karol hätte wohl vielerlei solcher Geschichten erzählen können, denn er war mit seinem Wagen seit einem halben Leben vor allem in fränkischen Landen unterwegs. Aber die meiste Zeit hielt er nur schweigsam die Zügel in der Hand oder rief den Pferden allenfalls ein heiseres Hü oder Hott zu.
    Bis vor ein paar Monaten, so viel immerhin hatte Klara von ihm erfahren, war er nicht allein durch die Welt gereist, sondern zusammen mit seiner Frau Mona. Er selbst hatte Jung und Alt mit seinem Puppenspiel bezaubert, während die heilkundige Mona vor allem die Weibspersonen von ihren Leiden und Kümmernissen kurierte. Bei den Frauen und den jungen Mädchen in Dörfern und Höfen war sie wohlbekannt und wurde meist schon sehnlichst erwartet, wenn sie mit ihrem Wagen herbeigerumpelt kamen. Karol warf dann hinten an ihrer Karre die vielfach geflickte Plane zurück und die Leute riefen Ah und Oh, wenn die Puppenbühne zum Vorschein kam. Mona aber baute einige Schritte abseits eine Zeltwand auf und die Frauen und Mädchen stellten sich in langer Reihe bei ihr an.
2
    »
M
ein Puppenspiel war den Pfaffen
immer verdächtig.«
    Nach längerem Schweigen gab Karol manchmal unvermittelt solche Bemerkungen von sich, um danach neuerlich in stumme Grübelei zu versinken. Klara wartete dann ungeduldig, bis er weitersprach. Sie hatte versucht, ihn in ein Gespräch zu ziehen, es aber bald schon aufgegeben – er schien nur noch in sich hineinzulauschen, oder vielleicht zur Heidenkuppe empor, wo er jene Geister anzutreffen hoffte.
    »Nicht nur, weil mein Mönchlein so einen dicken Bauch hat, während die anderen Puppen alle mager wie der Tod sind. Wenn sie es nur könnten, würden die Priester aus jedem einzelnen Menschen die Einbildungskraft mit Feuer und Schwert herausbrennen und -schneiden. Denn für sie ist alle Fantasie teuflisch – außer ihren eigenen Fantastereien von den Seligen im Himmel und den Verdammten in der Hölle.«
    Karols Puppenhimmel war ein ausgespannter Mehlsack, mit Färberwaid blau eingefärbt. Daran klebte der Kopf einer getrockneten Sonnenblume, die auf ein kleines Dorf in der Einöde hinabschien. Das windschiefe Kirchlein und die kümmerlichen Bauernhäuser waren mit dem Kohlestift auf eine Bretterwand gemalt. Bevölkert wurde diese kleine Welt durch Bauer und Bäuerin, durch Fuchs und Wolf, einen Hanswurst und den prallbäuchigen Mönch. Alle diese Figuren hatte Karol eigenhändig geschnitzt und angemalt und mit haarfeinen Drähten an Kopf und Gliedmaßen versehen. Und wenn er sie an seinen Händen tanzen ließ, bewegten sie sich so täuschend echt über die Puppenbühne, als ob es wirkliche Lebewesen wären. Jedenfalls hatte Karol ihr das versichert und Klara konnte es sich lebhaft vorstellen. Früher, als sie mit ihren Eltern umhergezogen war, hatte sie oftmals wie verzaubert vor der Bühne eines Puppenspielers gestanden, der ein guter Freund ihres Vaters war und häufig mit ihnen im Tross durch die Lande reiste.
    »Monas Heilkunst aber war für die Pfaffen finsterstes Teufelswerk.« Karol tauchte wieder einmal aus seinen Grübeleien empor. »Wie die Kirchenmänner überhaupt alle wissenden Frauen als Hexen ansehen, und das wurde mit den Jahren immer ärger. Ihre Hetze gegen alle Frauen, die nicht wie ihre heilige Mutter Maria

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