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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Es roch nach feuchtem Stein und rußigem Qualm, der von den Fackeln an den Wänden aufstieg. Ein achteckiger Tisch, umgeben von ebenso vielen Stühlen, stellte beinahe die ganze Einrichtung dar. Vor einer Wand stand lediglich noch eine wurmstichige, offenbar uralte Truhe mit rostigen Beschlägen, und genau darüber hing ein Kruzifix von gewaltigen Ausmaßen, das gleichfalls viele Jahrhunderte alt schien.
    Gerade als Paul Lautensack mit Amos und Klara eintrat, schritt durch die Tür gegenüber ein wohlbeleibter Mann in purpurroter Robe. Auf dem Kopf trug er ein goldfarbenes Käppchen, das beinahe wie ein Heiligenschein aussah. Lautensack nahm Amos beim Arm und zog ihn zu dem Gewaltigen hin. »Euer Gnaden«, sagte er, »dies ist Amos von Hohenstein, gekommen, Euch das poetische Werk zu überbringen und von seiner gottgefälligen Wirkung Zeugnis abzulegen.«
    Wie von Geisterhand schlossen sich gerade in diesem Moment beide Türen. Der Fürstbischof sah Amos aus übergroßen, froschhaft hervorgewölbten Augen an. Wie Faust hieß er mit Rufnamen Georg und war wie der Magier um die dreißig Jahre alt, doch weniger ähnlich als diese beiden konnten zwei Männer kaum sein. Der Bischof war von massiger Gestalt, seine Augen wässrig, das Antlitz bläulich rot verfärbt. Seine fleischigen Lippen bewegten sich unaufhörlich unter leisem Schmatzen, und immer beim Ausatmen blies er geräuschvoll die Backen auf. »Sehr schön, sehr schön«, psalmodierte er und hielt Amos seine Hand mit dem Bischofsring hin – einem breiten Goldreif mit prangend rotem Karfunkelstein, eingesunken in das Fett seiner Finger.
    Du musst den Ring küssen, Amos. Oder jedenfalls so tun.
    Widerstrebend beugte sich Amos dem Ring entgegen, spitzte seine Lippen und richtete sich rasch wieder auf. »Und das ist Klara Thalgruber, Herr Bischof – ohne ihren Beistand hätte ichdas Buch längst verloren.« Er nahm Klara bei der Hand und zog sie zu sich heran. Jetzt darfst du seinen Ring ablecken .
    Klara sank zu einem untadeligen Knicks in sich zusammen, hauchte dabei einen Kuss auf den in Fett gebetteten Karfunkelstein und richtete sich lächelnd wieder auf.
    »Wie denn – verloren?«, wollte der Bischof wissen und sah pustend von Klara zu Amos.
    »Nun, Eminenz, es sind unruhige Zeiten«, mischte sich ein schon älterer Mann mit faltigem Antlitz ein. »Die Straßen und Schänken sind voller Diebe. Wer sich da nicht in Acht nimmt, hat rasch sein Hab und Gut verloren.« Er war von schmächtiger Gestalt und trug ein schlichtes, eng anliegendes graues Gewand. Zusammen mit Faust und einem dritten Mann in schwarzer Priesterrobe hatte er am Tisch gesessen und sich wie die anderen erhoben, als der Bischof eingetreten war. Der Mann mittleren Alters in der Priesterrobe, sagte sich Amos, musste wohl der Hofkaplan Eberhard Senft sein, der große Verehrer des Trithemius.
    Der Bischof nickte und bewegte leise schmatzend seine Lippen.
    »Wenn ich mich vorstellen darf«, wandte sich das ältliche Männchen nun an Amos, »Michael Wolgemut, Kunstmaler zu Nürnberg – mein Schüler Hans Wolf hat Euch an der Fähre empfangen.« Er ergriff Amos’ Hand und sah ihn dabei ernst, geradezu feierlich an. »Ich muss gestehen, junger Herr, dass ich letzte Nacht kaum ein Auge zutun konnte – aus freudiger Erwartung, Euch und das wundersame Büchlein endlich zu sehen.«
    »Auch wir sind erleichtert, dass wir die schwierige Aufgabe gemeistert haben«, versicherte Amos.
    »Schwierig?«, forschte der Bischof. »Was außer den Dieben hat Euch denn sonst noch auf Eurer Reise geplagt? Man sollte doch meinen, dass es eine beschwingte Wanderung war, beflügelt von der Lektüre und den guten Kräften, die sie Euch verleihen sollte.«
    »So war es zweifellos auch.« Der dies sagte, war der Mann in der Priesterrobe, der nun gleichfalls zu ihnen trat. »Unser jungerFreund möchte wohl nur sichergehen, dass wir neben den Wunderkräften des Büchleins auch seine eigenen Mühen gebührend würdigen. Doch dessen dürft Ihr unbesorgt sein, Amos von Hohenstein.«
    Er reichte Amos seine Rechte, ohne jedoch den Händedruck zu erwidern. Amos beeilte sich, die schlaffe Hand des Hofkaplans wieder loszulassen. Eberhard Senft war eine durch und durch unauffällige Erscheinung, von mittlerer Statur, in mittleren Jahren, mit einem schmalen, blassen Antlitz, das man schon wieder vergessen hatte, wenn man ihm nur den Rücken zudrehte. Desto unvergesslicher aber war seine Stimme, was bei einem Hofprediger allerdings

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