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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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nicht allzu verwunderlich war. Sie hatte einen vibrierenden Unterton, der ihm sofort die Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicherte und jeder seiner Bemerkungen, auch den beiläufigsten, einen dramatischen Anstrich verlieh. »Nun überreicht dem Herrn Bischof das Manuskript«, fügte Senft hinzu, »und dann lasst uns eine Probe der gottgefälligen Zauberkünste sehen, die Ihr Euch durch die Lektüre angeeignet habt.«
    Die Probe sollt ihr bekommen, dachte Amos. Aber die Vorstellung, sich vom
Buch der Geister
zu trennen, schmerzte ihn ärger denn je.
    Die Herren setzten sich nun allesamt an den Tisch. Auch Klara und Amos wollten Platz nehmen, aber Paul Lautensack machte ihnen ein Zeichen – sie sollten stehen bleiben. Unter den erwartungsvollen Blicken von fünf Augenpaaren, darunter einem flammend blauen und einem froschhaft hervorgewölbten, zog Amos das schwarz gebundene Buch aus seiner Weste und legte es vor Fürstbischof Georg auf den Tisch.
    Der Bischof schaute und schnaufte. Seine fleischigen Hände lagen offen zu beiden Seiten des Buchs, aber anscheinend konnte er sich nicht sogleich entschließen, das Schriftwerk aufzunehmen und aufzuschlagen. Seine Lippen öffneten und schlossen sich schmatzend. Seine Augen traten noch weiter als gewöhnlich hervor, so aufmerksam sah er auf das Buch hinab.
    »Die Absicht war«, sagte er langsam, fast beschwörend, »dasjenige, was an den alten Künsten gut und bewahrenswert ist, aus dem Tohuwabohu der heidnischen Teufeleien und Verirrungen auszuscheiden und in ein harmloses Gefäß zu gießen, wo es keinerlei Schaden anrichten kann – eben in die Dichtkunst. Stimmt Ihr mir zu, Kaplan?«
    »Ihr formuliert wie stets unübertrefflich, Euer Gnaden«, antwortete Senft, und er sagte es so schmetternd, als stünde er auf der Kanzel und riefe »Hosianna, der Erlöser ist nah!«.
    Der Bischof blies die Backen auf. »Und dieses Gute und Bewahrenswerte an der alten Heidenmagie«, fuhr er im selben beschwörenden Ton wie vorher fort, »ist der Zauber des Mitgefühls, die Gabe, sich in unsere Mitmenschen hineinzuversetzen, mit ihnen zu empfinden und ihre Gedanken zu verstehen. Mit einem Wort, wer dieses Büchlein liest, wird künftig viel besser imstande und viel eher bereit sein, die Nächstenliebe auszuüben, die unser Heiland von uns allen fordert. Denn das ist der einzige Zauber, der bei unserem Herrn im Himmel Wohlgefallen finden kann. Stimmt Ihr mir zu?« Suchend schweifte sein Blick umher und blieb diesmal auf Meister Wolgemut haften.
    Der Maler beeilte sich, ihm beizupflichten. »Die einzige gottgefällige Magie, Euer Gnaden. Unseren Kunstwerken als Würze beigegeben, kann dieser milde Zauber gar nicht anders, als wohltätig auf Herzen und Seelen zu wirken.«
    Noch während Meister Wolgemut so salbungsvoll sprach, ging mit dem
Buch der Geister
eine Veränderung vor. Das schwarze Kaninchenleder hatte seinen gebürsteten Glanz längst verloren, es war stumpf und mit Flecken übersät. Ein ganzer Packen zerknickter Blätter hing, aus der Heftung halb herausgerissen, wie die Zunge eines hechelnden Tieres aus dem Umschlag hervor. Aber all das war schon länger so und kam von den Widrigkeiten der Flucht, bei der das Buch mal fast in den Fluten versunken, dann wieder beinahe vom Feuer verzehrt worden wäre. Doch die Verwandlung, die nun mit dem Buch vorging, war von anderer Art.
    Ein Zischeln wie von flüsternden Stimmen drang daraus hervor, begleitet von winzigen Flammenzungen, die aus dem Umschlag herausleckten. Oder bildete sich Amos das nur ein? Wenn er das Buch aufmerksam beobachtete, sah es wieder längere Zeit recht harmlos aus. Aber sowie er auch nur ganz kurz wegschaute, ging das Gezischel und Gezüngel von Neuem los.
    Siehst du das auch, Klara? Sie stand mittlerweile auf der anderen Seite des achteckigen Tischs, Paul Lautensack hatte sie mit matten Gebärden dorthin dirigiert.
    Ich glaube, es liegt am Bischof , gab sie zurück . Immer wenn er danach greifen will, geht es los.
    Der Bischof starrte vor sich auf den Tisch. Er atmete pustend aus und packte im nächsten Moment mit beiden Händen das Buch. Einige Augenblicke lang hielt er es fest umklammert, mit der erstarrten Haltung eines Mannes, der eine Giftschlange gefangen hat – dann warf er es von sich und atmete aufs Neue pustend aus. Klatschend kam das Buch mitten auf dem Tisch zu liegen. Alle starrten hin, doch niemand nahm es auf.
    »Nun also die Probe!«, sagte Eberhard Senft in einem Tonfall, als wären sie alle

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