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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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an den Wänden noch schattenhafte Überreste von Fausts spiegelnden Riesenaugen zu sehen. Ich … , begann er und unterbrach sich gleich wieder. Schon dieses Ich kam ihm mit einem Mal unsinnig vor. Was sollte das denn für ein Ich sein, das aus der Vermischung von vielerlei Geistern hervorging? Die sich von Generation zu Generation in Nachkommen aus ein und derselben Sippe verkörperten, aber bei aller äffenden Ähnlichkeit der Gesichter und Gestaltenkehrten immer nur sie, die Geister, zurück? Mir ist schwindlig. Wo ist er?
    Faust? Er ist wieder drinnen beim Hofkaplan – gleich rufen sie uns herein, das hat er doch gerade eben noch gesagt. Weißt du nicht mehr?
    Nein – oder doch, vielleicht. Er rieb sich mit beiden Händen über Augen und Stirn. Er hat mich ihre Macht spüren lassen – die Macht der Geister.
    Wie meinst du das?
    Ich weiß es selbst nicht so genau. Er lächelte sie an. Allmählich wurde sein Kopf wieder klarer. Nur die ängstliche Benommenheit in seinem Innern wollte noch immer nicht weichen.
    »Amos von Hohenstein?« Aus der hinteren Tür trat ein hagerer Mann von kaum über zwanzig Jahren. Ein schwärmerisches Lächeln lag auf seinem Gesicht, dessen Blässe auf Kränklichkeit schließen ließ. Oben aus seinem schwarzen Gewand ragte ein Kragen heraus, steif und weiß wie ein Leichentuch. »Mir wurde die Ehre zuteil, Euch und Eure Begleiterin zum Herrn Hofkaplan hereinzubitten.« Schon im Herbeieilen streckte er Amos beide Hände entgegen. »Ich bin Paul Lautensack, Organist – und einer Eurer größten Bewunderer.« Er schüttelte Amos die Hand und umfasste sie gleichzeitig mit seiner Linken. Der auch beim Lächeln wie knospenhaft zusammengezogene Mund erinnerte Amos an ein schmollendes Kind.
    »Und Ihr müsst Klara Thalgruber sein.« Lautensack nickte ihr zu und wandte sich dann gleich wieder zu Amos. »Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie wir hier um Euch gebangt haben. Ach ja, eine Bitte noch, ehe wir hinuntergehen: Der Bischof selbst wird zugegen sein und wir wollen ihn nicht … wie sage ich’s am besten – wir wollen ihm alle Kümmernis ersparen. Er war die Woche über auf dem rheinischen Konzil. Die jüngsten Nachrichten aus dem Kirchenlamitzer Amt haben ihn wohl noch gar nicht erreicht – umso besser für Euch, für uns und das Buch.« Seine Stimme war von samtenem Klang, jedoch sprach er so schleppend,dass man beim Zuhören ganz kribblig wurde. »Mein aufrichtiges Beileid, Herr Amos«, fügte er hinzu und sandte ihm einen seelenvollen Blick. »Ich bin sicher, Ihr versteht.«
    Nein, ich verstehe nicht, lag es Amos auf der Zunge – auch mir wurden ja keinerlei Kümmernisse erspart. Meine Eltern wurden verbrannt, meine Schwester wurde erdolcht, auf Leben und Tod haben uns die Bücherjäger durchs halbe Land gehetzt. Aber er schluckte alle Einwände wieder herunter.
    Der hagere Organist geleitete sie durch die Tür, aus der vorhin der Zauberer Faust getreten war. Das Kabinett des Hofkaplans war ein heller, behaglich eingerichteter Raum – mit Lehnsesseln vor dem Kamin, einer kleinen Bibliothek in der Nische und einem Klavichord daneben.
    »Auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn Bischofs«, sagte Paul Lautensack mit um Nachsicht bittendem Lächeln, »werden wir unsere Versammlung unter der Erde abhalten.« Er deutete auf eine schmale Tür in der rückwärtigen Wand. »In einem Raum, der zu Zeiten von Bischof Otto bei Belagerung durch die Heiden als Kapelle diente – vor rund vierhundert Jahren also«, fügte er schleppend hinzu. »Nur glaubt bitte nicht, dass wir uns stets an so pathetischen Orten zusammenfinden. Aber der Herr Georg wünscht es nun einmal so – wenn ich vorausgehen darf?«
    Im Erker stand ein Stehpult und der Anblick versetzte Amos einen Stich – der Herr Hofkaplan Senft konnte hier geruhsam wie eh und je an seinem Pult lesen und schreiben. Dagegen war Kronus’ Schreibstube längst in Flammen aufgegangen und der weise Mann selbst wohl nicht mehr am Leben.
    Amos schluckte auch diesen bitteren Gedanken wieder herunter und fing einen Blick von Klara auf.
    Dass wir in diese Gruft hinab sollen, gefällt mir nicht . Sie wies mit dem Kopf zu dem hageren Organisten, der eben durch die Tür neben dem Klavichord trat. Von Kerzenlicht trübe erhellt, drehte sich dahinter eine enge Wendeltreppe in die Erde hinein. Wenn irgendetwas schiefgeht, sitzen wir da unten in der Falle .
7
    D
ie einstige Kellerkapelle
war ein schmuckloser, düsterer Raum mit niedriger Gewölbedecke.

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