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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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soeben seliggesprochen worden. »Wir haben ein paar Zettel vorbereitet – ich darf bitten.« Er machte seinem Organisten ein Zeichen.
    Paul Lautensack stand auf und zog ein beschriebenes Blatt aus der Tasche, mit dem er zu Klara hintrat. »Hier habe ich einige Sätze für Euch aufgeschrieben, Fräulein«, sagte er so schleppend, dass es kaum auszuhalten war. »Prägt Euch alles gut ein, und dann denkt es recht beschwörend – in gutem, gottfrommem Sinn beschwörend – zu Eurem braven Mitstreiter hinüber.«
    Nur ruhig, mein Auserwählter. Klara lächelte ihm über die Köpfe der Versammelten hinweg zu. Sie treiben ein lügenhaftes Spiel – mit dem Bischof und mit uns. Aber wir müssen mitspielen, uns bleibt keine Wahl.
    Amos war sich bewusst, dass zumindest der Zauberer Faust alles mitverfolgen konnte, was Klara und er einander an Gedankensandten. Und wahrscheinlich saß auch jener Bücherpapst Trithemius irgendwo weit entfernt in seinem Kloster und verfolgte auf magischem Weg alles mit. Trotzdem konnte er selbst mit allergrößter Mühe seinen Zorn nicht gänzlich bezähmen. Sie sind es nicht wert, Klara. Aber du hast recht, uns bleibt nichts anderes übrig.
    Sie schaute ihn beschwörend an. » Niemals vorher in meinem Leben fühlte ich mich dem lieben Gott so nahe wie in den Tagen unserer Wanderung von Wunsiedel nach Bamberg. Nie werde ich vergessen, wie meine Seele jubilierte, wie ich beim Anblick jeder Amsel, jedes Pfauenauges, jedes winzigen kriechenden Käfers am Wegrand so recht inniglich fühlte: Der Herr im Himmel liebt alle seine Geschöpfe und wird uns niemals verderben lassen.«
    Amos starrte über die Köpfe des Bischofs und der Bruderschaft hinweg zu Klara. Das goldene Käppchen auf dem Kopf des Kirchenfürsten funkelte, als ob er zumindest mit der Schädeldecke schon dem Jenseits zugehören würde. Aller Blicke waren auf Amos gerichtet – schwärmerisch, mit knospenhaft geschürztem Schmollmund, lächelte Paul Lautensack zu ihm empor, ernst und feierlich schaute der alte Maler, flammend der Magier, froschhaft glotzte der Bischof und pustete die Atemluft aus.
    »Nun, Jüngling, singet das Lob unseres Herrn!«, posaunte der Kaplan.
    Ich kann nicht, Klara. Es kommt mir vor wie Verrat an Kronus, an Oda, an deinen wie an meinen Eltern. Wofür mussten sie alle sterben – damit wir hier diesen frommen Schwindel aufführen?
    »Nun«, ließ sich der Bischof schmatzend vernehmen, »die Probe scheint nicht recht zu glücken. Vielleicht beginnen wir lieber mit einem leichteren Stück?«
    »Eine vortreffliche Idee, Euer Gnaden«, trompetete der Kaplan, und es klang mindestens wie »Gebenedeit seiest Du, Maria!«. »Paul, tausche die Zettel aus.«
    »Nicht nötig, ihr Geistesbrüder.« Amos sah starr auf das Buch. Kein Gezischel, kein Flammengezüngel drang mehr daraus hervor,seit der Bischof es von sich geworfen hatte. Aber er sah dennoch immer nur das Buch an, er wollte niemanden im Raum anschauen – auch Klara nicht, die doch nur versuchen würde, ihn von seiner Absicht abzubringen. »Die Botschaft ist längst bei mir angekommen«, fuhr er fort, »und sie fängt wie folgt an: ›Niemals vorher in meinem Leben fühlte ich mich dem lieben Gott so nahe‹ und so weiter – aber kein Wort davon ist wahr.« Er riss seinen Blick vom Geisterbuch los und zwang sich, den Bischof anzusehen. »Wollt Ihr wissen, Herr, was wir stattdessen erlebt und erlitten haben?«
    Die Hände des Bischofs lagen nun gefaltet vor ihm auf dem Tisch. Ganz ruhig saß er da, nur seine Lippen und Backen waren wie bei einem Blasebalg in unaufhörlicher Bewegung. »Diebe«, pustete er, »und was sonst noch?«
    Wieder richteten sich alle Augen auf Amos, auch Fausts flammender Blick. Der Magier als Einziger hätte ihm Einhalt gebieten können, aber Faust hatte die Arme vor der breiten Brust verschränkt und schaute ihn nur erwartungsvoll, ja vielleicht sogar auffordernd an.
    Amos, ich verstehe deinen Zorn nur zu gut , mahnte Klara . Aber ich bitte dich – überlege dir, was du ihm erzählen willst. Schweige von allem, was in Hohenstein vorgefallen ist. Wenn du den Inquisitor erwähnst, kann selbst der Bischof uns nicht länger schützen.
    Ich glaube, das hat er sowieso nicht vor – er nicht und die anderen erst recht nicht. Ihnen geht es nur um das Buch. Er holte tief Luft und sah wieder den Bischof an.
8
    »
I
hr habt heute gewiss
noch zahlreiche Aufgaben zu erfüllen, Herr«, so begann Amos, »und wollte ich Euch alles berichten, was wir

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