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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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einer ruckartig die Stufen emporschnellenden Heuschrecke, aber das störte Hannes Mergelin nicht.
    Im Gehen spähte er immer wieder auf den Registerzettel, den Mulhardt für das erste Manuskript angelegt hatte. Es war in helles Leder gebunden und mit einer roten Kordel umwickelt und der Registerzettel steckte unter der kunstvoll geknoteten und versiegelten Schnur. »
Das Buch der Geister
«, las Hannes Mergelin. » Autor: Valentin Kronus, wohnhaft zu Kirchenlamitz. Eingang: VII. August 1499. Kategorie: Erdichtetes und Erdachtes. Erster Augenschein: Unbedenklich. Gezeichnet Waldo Mulhardt, Unterregistrator des Reichszensors zu Nürnberg, den X. August 1499 A.D .«
    Unbedenklich?, dachte Hannes, während er im dritten Stock in den dunklen Gang einbog, in dessen hinterem Drittel die Stube seinesUnterzensors lag. Er selbst hatte es nur zwei oder drei Mal erlebt, dass Skythis Schriftstücke als unbedenklich eingestuft hatte, und keines davon hatte der Kategorie »Erdichtetes und Erdachtes« angehört. »Schnurren und Schwänke gehören nun einmal nicht gedruckt, sondern samt und sonders verboten, mögen sie auf den ersten Blick noch so harmlos erscheinen.« Das hatte er Jan Skythis mehr als einmal predigen hören und Hannes stimmte ihm aus tiefster Überzeugung zu. In den Städten und in den Köpfen herrschte sowieso schon ein viel zu großes Durcheinander. Jeder Schreihals glaubte heutzutage, sein leichtfertiges Geschreibsel in Druck geben zu müssen, aber dadurch wurde die allgemeine Verwirrung nur noch ärger. Erdichtete Schriftstücke, sagte sich Hannes Mergelin, während er in die Amtsstube des Unterzensors Skythis eintrat, waren grundsätzlich als hochgefährlich anzusehen.
    Jan Skythis war noch nicht an seinem Platz, aber Hannes stapelte die neu eingegangenen Handschriften so auf dem Pult des Unterzensors auf, dass Skythis’ Blick gleich bei seinem Eintreten darauf fallen musste. Dann hinkte er hinter das Schreiberpult, das aus ungeklärten Gründen im düstersten Winkel der Amtsstube stand, und bereitete alles für das Gutachten nebst Verbotsantrag vor, das Skythis ihm nachher zweifellos diktieren würde.
Das Buch der Geister
– schon der Titel stank auf siebenhundert Fuß gegen den Wind nach sinnverwirrender Dämonie und satanischen Fantastereien, erdacht zu dem einzigen Zweck, die Seelen argloser Leser auf höllische Abwege zu locken.
6
    W
ie eine Glocke aus schierer Glut
lag derweil die Hitze auch über den Dächern und Zinnen von Burg Hohenstein. Dort zählte Amos ungeduldig die Stunden und Tage, bis es endlich wieder Montag würde und er aufs Neue zu Kronus gehen könnte. Aber gerade erst war der Donnerstag angebrochen, und so gähntevor ihm noch ein Abgrund, eine wahre Höllenschlucht von vier Tagen und ebenso vielen Nächten.
    Vor allem anderen konnte er es kaum erwarten, die Geschichte von Laurentius Answer noch einmal zu lesen. Aber es war ja kein Lesen, wie es Amos bisher gekannt hatte – kein stockendes Entziffern von Wörtern und Sätzen und kein allmähliches Hineintauchen in eine andere Welt, von der man doch niemals ganz vergaß, dass es nicht die eigene Welt und Wirklichkeit war. Als Valentin Kronus die Geschichte
Vom Ritter, der seine Liebste hinter dem Spiegel fand
vor ihm auf das Pult gelegt hatte, da war Amos mit der allerersten Zeile in Laurenz verwandelt worden. Statt Kronus’ Stube voller Bücher hatte er nur noch den spiegelnden Schild erblickt, in den er mit seiner eigenen Hand wie in einen Eimer voll klares Wasser gefahren war. Und seitdem war nichts mehr, wie es gewesen war.
    Seitdem fühlte sich Amos so kribblig und bis in die letzte Faser seines tiefsten Innern mit Funken und Lichtpunkten aufgeladen, als ob ein ganzes Schock Blitze in ihn gefahren wäre. Gerade so, als ob all die klingelnden Narren und rezitierenden Dichter und flötenden Musikanten und pinselnden Maler und hüpfenden Tänzerinnen mitsamt den bunten Vögeln und Haken schlagenden Kaninchen in seinem Herzen und in seiner Seele umherjagten. In manchen Augenblicken fühlte sich Amos so überglücklich, dass er den grimmigen Hauptmann Höttsche hätte umarmen können, und im nächsten Moment so unruhig, zerfahren, mutlos, dass er sich nur noch vor aller Welt verkriechen wollte. Und für beides gab es eigentlich überhaupt keinen Grund, jedenfalls nicht hier auf Burg Hohenstein, wo der Ritter und seine Männer genauso stumpfsinnig umherstampften wie in all den Tagen und Wochen davor.
    Bevor er die erste Geschichte aus

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