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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Satz war Gregor ausgewichen. Wieder begann er, das Eisenkreuz über seinem Kopf zu wirbeln, aber bevor er ein weiteres blutiges X in den Schädel seines Gegners stanzen konnte, hatte der sein Schwert bereits wieder emporgerissen. Mit furchtbarer Wucht ließ er es auf den Gepanzerten niedersausen, und obwohl sich Gregor abermals zur Seite warf, traf ihn die Klinge seitlich am Kopf. Hannes hörte eingrässliches Reißen und Splittern und musste für einen Moment die Augen schließen. Er spürte, dass Gregor scheußliche Schmerzen litt, und hätte seine Lider am liebsten gar nicht mehr gehoben – jedenfalls nicht, solange der Kampf dort draußen weiterging.
    Da ließ sich von der Kutsche her eine klangvolle Stimme vernehmen. »Im Namen des Erlösers – haltet ein!« Cellari stieß die Kutschtür auf und sprang leichtfüßig heraus. Er trug eine Robe, die Hannes niemals vorher an ihm gesehen hatte – purpurrot über einem schwarzen Unterkleid, das sich wie mit Sturm gefüllt unter seinen Ärmeln hervorbauschte.
    Mit offenen Mündern sahen die Räuber dem Inquisitor entgegen. In der rechten Hand hielt Cellari eine Fahne, die war so purpurrot wie seine Robe und an funkelnden Messingstangen aufgespannt. Goldene und schwarze Stickereien auf der Standarte stellten gleichnishaft das Wirken der Inquisition dar: Der hagere Mönch auf dem Fahnentuch trug in seiner Rechten das Schwert und in der Linken einen Ölzweig – Zeichen eines Friedens, den die christlichen Streiter anscheinend mit der blanken Waffe erzwangen. Zu seinen Füßen kauerte ein großer Hund, den Griff eines Staubwedels im Maul. Neben dem Tier lag eine stilisierte Weltkugel und der Hund fuhr mit dem Staubwedel über Länder und Erdteile und wirbelte gewaltige Staubwolken auf – den »Dreck« der Hexerei, den »Schmutz« des Unglaubens und Ketzertums.
    Vor dem Obersten der Räuber, der gleichfalls vom Pferd geglitten war, und seinem Hauptmann blieb Cellari stehen. Der narbengesichtige Hüne hielt noch immer das blutverschmierte Schwert in der Hand, doch sein Gesicht hinter dem wirren Bart war nun wie versteinert.
    »Ritter Heribert von Hohenstein«, sprach der Kirchenmann, »vor Euch steht Leo Cellari, Inquisitor für Nordbayern und Franken. Ihr habt mich angegriffen, einen Streiter Christi ermordet und diesen Mann dort verwundet, der gleichfalls aufseiten derKirche kämpft.« Er deutete auf Gregor, der auf die Knie gesunken war und mit beiden Händen seine rechte Kopfseite hielt. Blut quoll zwischen seinen Fingern und unter dem zerfetzten Helm hervor. »Euer Leben ist verwirkt«, fuhr der Inquisitor fort. »Doch wenn Ihr unverzüglich Eure Waffen niederlegt und die Gnade unseres gütigen Gottes erfleht, so könnt Ihr Euch möglicherweise vor dem Scheiterhaufen noch retten. Zum Zeichen Eurer Reue übergebt mir als Erstes die Schlüsselgewalt über Eure Burg.«
    Ritter Heribert und sein Hauptmann wechselten einen raschen Blick. Im nächsten Moment stieß der Hauptmann den Inquisitor zu Boden und richtete die Schwertspitze auf Cellaris Brust. »Abmarsch, Männer«, schrie er, »alles zurück in die Burg!«
    Heribert von Hohenstein zitterte am ganzen Leib. Erst beim zweiten Versuch vermochte er die Zügel seines Pferdes zu ergreifen und sich zurück in den Sattel zu hieven. Auch seine Männer schienen vor Angst wie gelähmt. »Nun macht schon!«, schrie der Hauptmann, und da erst sprangen alle auf die Pferde und preschten davon. Als Letzter folgte der Hauptmann – schon im Sattel sitzend, schwenkte er noch einmal sein Schwert gegen Cellari, mit der Miene eines Mannes, der nichts mehr zu verlieren hat.
    Warum nur hatte Cellari sich so spät erst als Inquisitor zu erkennen gegeben? Hannes verstand es einfach nicht. Drei Männer waren ums Leben gekommen – den jungen Räuber drehten die Armbrustschützen eben auf den Rücken, um ihm den Pfeil aus der Stirn zu ziehen. Und auch wenn zumindest Gregor wohl nicht in Lebensgefahr schwebte, so hatte er doch eine schlimme Verletzung davongetragen. Hannes mochte kaum hinsehen, während sich der Kutscher die Lederfetzen von der Schläfe schälte. Wo einmal sein rechtes Ohr gewesen war, klaffte ein unförmiges Loch, aus dem immer noch Blut hervorquoll.
    Wozu nur dieser Kampf, die Toten, das vergossene Blut? Auch Skythis war mittlerweile aus der Kutsche gestiegen und Hannes sah ihm an, dass der Unterzensor mit Cellaris Vorgehen gleichfalls nicht einverstanden war.
    Doch der Inquisitor, der sich soeben aus dem Straßenstaub

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