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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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wird jetzt, Hauptmann – zerren sie uns vors Halsgericht?« Aber Höttsche hatte nicht einmal den Kopf gehoben und schließlich hatten sie alle es ihm gleichgetan.
    Rastlos lief unterdessen Amos in der Halle auf und ab. Er hatte versagt, sogar zweifach versagt, das sagte er sich immer wieder. Er hatte es nicht geschafft, Kronus zu warnen, und genauso wenig war es ihm gelungen, Oda zu beschützen. Durch sein Versagen würde der alte Mann nun zum Opfer der Bücher- und Ketzerjäger werden. Und wie es Oda drüben im Ostturm erging, daran konnte er überhaupt nicht denken, ohne dass ihm heiß wurde vor hilfloser Wut. Und mehr noch vor Beschämung.
    Vor der verrammelten Tür zum Burghof blieb Amos immer kurz stehen und lauschte. Dann ging er weiter zu der schmalen Fensterluke rechter Hand, die einen Blick auf die vordere Hälfte des Hofs erlaubte. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte nach draußen: Das Burgtor war noch immer geschlossen, doch die Vorbereitungen schienen nahezu beendet.
    Vorbereitungen zum Abmarsch, ganz unverkennbar. Im Fackelschein ließen die Offiziere mit den Federbüschen auf den Helmen ihre Mannschaften antreten: vier Fähnlein in voller Bewaffnung, die sich jeweils zu zehnt auf dem Burghof aufstellten. Unmengen von Fackeln hatten die Soldaten zuvor in den Wandhalterungen verteilt und angezündet – so als ob sie sicherstellen wollten, dass die Gefangenen auch alles mitbekamen, was ihre siegreichen Gegner da draußen so trieben. Doch außer Amos schien es niemanden im Saal zu interessieren, was im Burghof vor sich ging. Wie die Soldaten ihre Helme abnahmen und zu Statuen erstarrten, während einer von ihnen auf der Fanfare eine düster traurige Melodie blies. Wie alle ihre Blicke auf den leeren Platz neben ihm gerichtet hielten, als ob der fehlende Purpurkrieger dort doch noch antreten würde. Aber er würde nicht mehr kommen – Höttsche hatte ihn mit seinem Schwert durchbohrt.
    Endlich verstummte die Fanfare und Amos wandte sich abermals um. Quer durch den Saal ging er zu der Kammer, in der er drei Jahre lang genächtigt hatte. Vor der Türschwelle blieb er stehen und sah sich das verwüstete Zimmerchen an. Er hatte es immer als Strafe, ja als Demütigung empfunden, dass der Onkel ihm gerade dieses Gelass zugewiesen hatte. Man kam nur durch den großen Saal hinein oder hinaus und so konnten der Ritter und Höttsche ihn jederzeit bequem überwachen. Denn im Saal waren tags wie nachts fast immer etliche ihrer Männer versammelt – und selbst wenn sie ihren Rausch ausschliefen, war es so gut wie unmöglich, unbemerkt an ihnen vorbeizukommen: Der Eisenriegel an der Saaltür kreischte bei der kleinsten Bewegung wie ein aufgestörter Geist.
    Trotz allem war es für Amos ein Zufluchtsort gewesen, und so erschreckte ihn der Anblick der zerstörten Kammer jedes Mal aufs Neue – beinahe so, als ob die Soldaten auf ihn selbst mit Messern und Äxten losgegangen wären. Sie hatten seine Strohmatratze aufgeschlitzt und ihren Inhalt blindlings verstreut. Und die Truhe mit seinen Habseligkeiten hatten sie nicht einfach umgeworfen und auf dem Kammerboden ausgeleert, sondern zu Kleinholz zerschlagen.
    Aber warum nur, um Himmels willen? Was wollte der Inquisitor gerade von ihm? Und weshalb hatte er ihm ausgerechnet diese eine Frage gestellt – ob seine Eltern ihn, als er noch ein Kind gewesen war, jemals hatten fortgeben wollen?
    Immer wenn Amos in seinen Gedanken diesen Punkt berührte, wandte er sich hastig ab und begann aufs Neue, durch den Saal zu streifen. Ein Schwindel und Nebel und Sausen wollte dann jedes Mal wie aus großer Tiefe in ihm aufsteigen. Doch wenn er rasch weiterlief und seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zuwandte, ließ das innere Sausen wieder nach.
    »Wegen seinem Tintenpisser sitzen wir hier in der Falle«, hörte er es einmal aus der Pagenecke zischen. Aber als Amos bei ihnen stehen blieb und die Burschen zur Rede stellen wollte, wandten sieihre Blicke von ihm ab. Nicht verlegen, sondern mit finsteren Gesichtern – so als ob auch Bastian und die anderen ihn neuerdings für einen »kleinen Teufel« hielten, wie ihn der Unterzensor Skythis genannt hatte. Und Valentin Kronus für den Satan in Menschengestalt.
    Aber er ist kein Ketzer, kein Dämon, dachte Amos. Valentin Kronus ist ein weiser Mann, und
Das Buch der Geister
hat er geschrieben, um den Menschen zu helfen. Damit möglichst viele die besten Kräfte in ihrem Inneren erwecken können – die Gabe, mit anderen Menschen

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