OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Moment an ihn. Aber gleich darauf wurde sie wieder ernst.
Das geht nicht, Amos – es ist zu gefährlich , brachte sie auf dem Gedankenweg hervor. Sie schaute sich nach links und rechts um, so als ob auch sie befürchtete, dass sie bereits von irgendwelchen Verfolgern entdeckt worden wären. Doch außer Bäumen und Gestrüpp war weit und breit nichts zu sehen. Vielleicht hast du recht, was die wilden Leute da unten angeht , fuhr sie fort. Aber es ist trotzdem viel zu gefährlich – mit den Fesseln kannst du dich weder wehren noch wegrennen .
Amos zuckte mit den Schultern. Sogar durch eine Bewegung wie diese rief er vernehmliches Klirren hervor. »Wovor hast du Angst, Klara?«, fragte er. »Glaub mir, die Wegelagerer da unten müssen auf der Seite der Bruderschaft sein. Ich habe einen von ihnen wiedererkannt – so ein dreckiger kleiner Bursche, der schon mal versucht hat, mich zu bestehlen.«
Er erzählte ihr mit raschen Worten, was damals vor dem Stadttor von Pegnitz passiert war. »Das gehörte also auch schon zu der Prüfung«, schloss er, »die Kronus damals mit mir angestellt hat – ob er sich auf mich verlassen kann und ich mirSchriftstücke, die er mir anvertraut hat, nicht einfach so wegnehmen lasse. Bei Pegnitz hat die Bruderschaft diese wilde Horde auf mich losgelassen – und fast hätte der Junge es auch geschafft, mir Kronus’ Brief zu entreißen, aber nur fast. Und in Nürnberg haben Kronus und deine Mutter Sophia dann am nächsten Tag dich ins Rennen geschickt. Und du hast mir den Brief tatsächlich abgeluchst, aber ich …« Er sah ihr tief in die Augen und vergaß einige Atemzüge lang, weiterzureden. »Ich bin dir wie verrückt hinterhergerannt und hab ihn dir schließlich wieder abgejagt.« Er grinste sie an.
Klara grinste mindestens genauso frech zurück. »Aber nur, weil ich an dem Brunnen auf dich gewartet habe. Wenn ich es drauf angelegt hätte – du hättest mich niemals gefunden. Und den Brief noch viel weniger.«
Er beugte sich zu ihr herüber und küsste sie sanft auf ihren Mund. »Ich kann sehr hartnäckig sein, weißt du?«
»Oh ja«, gab Klara zurück, »das weiß ich allerdings.« Sie löste sich von ihm, und er spürte, dass sie immer noch voller Angst war. Sie wechselte auch gleich wieder in die Gedankensprache, obwohl sie in diesem abgelegenen Dickicht doch bestimmt niemand belauschen konnte. Seit ich heute früh in Bamberg losgeritten bin , sagte sie, kommt es mir immer wieder vor, als ob mich irgendjemand verfolgen würde. Oder irgendetwas , fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu und schüttelte sich wie bei einem Gruselschauder . Und deshalb kann ich dich auf gar keinen Fall allein hier zurücklassen . Ihre Augen wurden ein paar Schattierungen dunkler. Hast du nicht gehört, was ich vorhin zu dir gesagt habe, mein Auserwählter: Ich werde niemals mehr zulassen, dass wir getrennt werden .
Du könntest mir ja das Gewehr hierlassen, und wenn dann … Er brach ab, ohne seinen Einwand zu Ende zu bringen. Klara hatte recht. Er bekam seine Hände nicht einmal weit genug auseinander, um das Gewehr anzulegen. Falls hier wirklich irgendwelche Verfolger auftauchen würden, während er allein auf diesem Felsbrockensaß, wäre er hilf- und wehrlos. Allerdings glaubte Amos nicht, dass der Inquisitor Cellari oder der Unterzensor Skythis mit seinen Bücherjägern ihnen schon wieder so dicht auf den Fersen sein könnten. Der Inquisitor würde morgen oder wahrscheinlich sogar erst übermorgen Verdacht schöpfen, wenn Fürstbischof Georgs Wachsoldaten ihren Gefangenen nicht in Nürnberg ablieferten. Und Klaras Spur hatten sie allem Anschein nach sowieso verloren, seit sie mitsamt dem
Buch der Geister
aus der Bischofsburg geflohen war – da konnte Cellari jetzt erst recht nicht ahnen, wohin Klara heute in aller Frühe aufgebrochen war. Und dass irgendein geisterhaftes Wesen ihr gefolgt wäre, hatte sie sich bestimmt nur eingebildet.
»Also gehen wir weiter«, sagte Amos und wollte schon aufstehen, aber Klara legte ihm ihre Hand auf den Arm.
Hörst du das nicht? Sie konnte mit ihrer Gedankenstimme sogar flüstern. Hör doch , wisperte sie in seinem Kopf, wie es da drüben im Buschwerk heult und winselt. Das ist wieder dieser … dieses Etwas, das mich seit Bamberg verfolgt.
Amos lauschte angespannt und schließlich hörte er es auch. Ein Jaulen und Fiepen, das sich überhaupt nicht nach Mensch anhörte, aber genauso wenig wie ein Tier. Ein Frösteln lief ihm den Rücken hinunter. Es
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