OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Aber er wollte die verdammten Ketten jetzt endlich loswerden. Diese Unmengen vonEisen mit sich herumzuschleppen, war ungeheuer anstrengend. Seine Handgelenke waren wund gescheuert und seinen Fußknöcheln ging es nicht viel besser. Das Klirren und Scheppern der Eisenringe zerrte an seinen Nerven – aber erträglicher als das Winseln und Jaulen da draußen war es allemal.
Ihr unheimlicher Verfolger war ihnen anscheinend bis hier herauf gefolgt und jetzt lag er da draußen auf der Lauer und jaulte. In vollkommen unvorhersehbaren Abständen stimmte die Kreatur irgendwo vor der Hütte ihr Geheule an. Nicht besonders laut und es klang auch nicht gerade angriffslustig oder irgendwie bedrohlich – und doch fuhren Amos und Klara jedes Mal zusammen, wenn das elende Gewinsel wieder losging. Ganz zu schweigen von der Füchsin, die sie in der Diele untergebracht hatten – die Stute stieß dann immer ein wildes Schnauben aus, und einmal hatte sie sogar so durchdringend gewiehert, dass Klara und Amos beinahe das Herz stehen geblieben wäre.
Mit Müh und Not schaffte es Amos, einen der Sägegriffe zwischen seine aneinandergefesselten Hände zu schieben. »Lass uns mit den Fußfesseln anfangen«, schlug er vor. Er hatte im Sitzen seine Beine angewinkelt und so weit auseinandergestellt, wie es ihm die Kette erlaubte. Klara kauerte vor seinen Füßen und hielt die andere Seite der Säge gepackt. Sie setzten das Sägeblatt auf die straff gespannte Kette zwischen Amos’ Füßen und fingen behutsam zu sägen an.
Sie beide hatten keinerlei Übung darin, ein solches Werkzeug zu handhaben. Außerdem war die Säge so klobig und schwer, dass es sogar für zwei ausgewachsene Männer nicht ganz leicht gewesen wäre, dieses Metallmonstrum unter Kontrolle zu halten. Ein paar Mal zogen sie das Sägeblatt auf einem Kettenglied hin und her, dann rutschte es mit einem Kreischlaut ab und ratschte über Amos’ Schienbein.
Er schrie auf – nicht allein vor Schmerz, sondern mehr noch vor Schreck, obwohl es auch elend wehtat. Unter dem zerfetzten Hosenstoff kam eine hässliche Schürfwunde zum Vorschein.»Halb so wild«, sagte er und versuchte, Klara anzulächeln. Aber sie lächelte nicht zurück und ihr Gesicht war auf einmal so weiß wie frischer Schnee.
»So schaffen wir es nicht«, sagte sie. »Am besten, wir bringen das schreckliche Ding gleich wieder weg – bevor es noch mehr Unheil anrichten kann.«
Amos rappelte sich auf und half ihr, die Säge zu der Truhe in der Diele zurückzuschleppen. Der Schreck saß ihm noch in den Gliedern, aber wenn es nach ihm gegangen wäre, er hätte lieber noch einen weiteren Versuch mit der Säge gewagt. Doch Klara hatte sicher recht – höchstwahrscheinlich war es sowieso eine Baumsäge, mit der sich der Jäger sonst immer Brennholz für seinen Kamin zurechtschnitt. Amos konnte noch von Glück sagen, dass sie ihm nicht versehentlich den halben Unterschenkel abgesägt hatten. Aber irgendeine Lösung musste es doch geben! Er konnte ja nicht für den Rest seiner Tage mit diesen vermaledeiten Eisenfesseln herumlaufen. Lieber würde ich sogar einen Pakt mit dem heulenden Dämon da draußen schließen, dachte er, während sie das unförmige Werkzeug an der Füchsin vorbei durch die enge Diele bugsierten – Hauptsache, ich werde endlich diese Ketten los!
Sie wuchteten die Säge zurück in die Truhe, und Klara klopfte den Hals der Stute, die schnaubend mit den Augen rollte. Die klirrenden Ketten und vor allem das grässliche Gejaule da draußen im Buschwerk machten der Füchsin anscheinend genauso wie ihnen selbst zu schaffen. Und während Klara ihr beruhigende Laute ins Ohr summte, begann es auf einmal an der Hüttentür, unmittelbar neben ihnen, aufs Unheimlichste zu kratzen und zu scharren.
Was ist das – um Himmels willen? , brachte Klara hervor.
Oder auch – in Teufels Namen, dachte Amos und achtete sorgsam darauf, dass sie nichts davon mitbekam. Dieses Winsel-Ding, nehme ich an , gab er so gelassen wie möglich zurück. Eben noch hatte er sich gewünscht, dass die Kreatur, der Geist oder was auch immer da draußen herumschlich, ihn von seinen Ketten befreienwürde – und schon begann es an der Tür zu scharren. Das war doch bestimmt kein Zufall – auch wenn Amos sich nicht recht erklären konnte, wieso dieses Geschöpf imstande war, seine Gedanken zu lesen. Aber wenn es tatsächlich eine vom Zauberer Faust erschaffene Kreatur war, dann war ihr allerdings so einiges zuzutrauen. Die Lust und der
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