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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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bestehen? Valentin, Egbert und ich haben uns oft genug die Köpfe darüber zerbrochen. Will Trithemius etwa Götzenkulte und Dämonenbeschwörung aus vorchristlichen Zeiten wieder einführen? Wollen er und Faust als Zauberpriester über die fränkischen Lande herrschen, wenn die erst ins Heidentum zurückgefallen sind? Das alles hört sich doch sehr viel mehr nach den Flausen halbwüchsiger Rotzbengel als nach ernst zu nehmenden Plänen an – oder etwa nicht?«
    Über diese Frage musste Klara lachen, aber eine Antwort wusste sie auch diesmal nicht. Und gegen die Beklommenheit, die in ihrem Innern wie ein gefangenes Raubtier umherstrich, half das Lachen auch nichts.
    »Nein, wir konnten das alles einfach nicht ernst nehmen«, bekräftigte Mutter Sophia. »Und vor allem deshalb nicht, weil
Das Buch
, das Valentin in unser aller Auftrag erschuf, ja gar nicht dafür geeignet war, den ›Priestern‹ bei der Verwirklichung ihrer Pläne zu helfen. Davon waren wir ›Dichter‹ jedenfalls überzeugt – und was mich betrifft, ich glaube das bis heute.«
    Sie schluckte krampfhaft und deutete mit zitternder Hand auf ihren Becher. Klara beeilte sich, ihr ein wenig warmen Tee nachzuschenkenund den Becher zu reichen. Mutter Sophia führte ihn zum Mund, aber ihre Hand zitterte jetzt so sehr, dass Klara ihr helfen musste, zu trinken.
    »Du hattest recht, meine Liebe«, sagte Mutter Sophia, »ich sollte jetzt wirklich eine Pause einlegen. Wenn die Glocken die sechste Stunde schlagen, lass uns weiterreden.« Nur mit Mühe konnte die alte Frau ihre Augen noch offen halten. »Auch du musst müde sein«, murmelte sie, »leg dich drüben ins Bett und ruh dich ein wenig aus.«
6
    I
n der Hinterkammer
legte sich Klara aufs Bett, wie es ihr die Äbtissin geraten hatte, doch sie war viel zu aufgeregt, um gleich einzuschlafen. Bald schon sprang sie wieder auf und ging barfuß, um keinen Lärm zu verursachen, unter den Balken des Dachstuhls auf und ab.
    Diese zweite Kammer war bis auf das breite Bett und eine eisenbeschlagene Truhe leer. Die Truhe selbst enthielt ja höchstwahrscheinlich nur Wäsche und dergleichen, aber wie verhielt es sich mit dem kleinen Fach an der Seite, das mit einem Vorhängeschloss verriegelt war? Klara strich um die Truhe herum, mit ihren Gedanken halb bei Mutter Sophia und dem
Buch der Geister
und zur anderen Hälfte bei dem wuchtigen Möbelstück und seinem geheimnisvollen Seitenfach. Schließlich ließ sie sich neben der Truhe auf die Knie nieder und probierte vorsichtig, ob das Vorhängeschloss auch wirklich versperrt war. Und siehe da – die Schließe war nicht eingerastet, der Bügel ließ sich mühelos herausziehen.
    Aber das änderte natürlich nicht das Geringste daran, dass es Mutter Sophias und vielleicht noch Valentin Kronus’ Truhe war und der Inhalt niemanden sonst etwas anging.
    Doch dieser Einwand wiederum half überhaupt nichts dagegen, dass Klara vor Neugierde beinahe platzte. Dass es ihr in sämtlichenFingerspitzen kribbelte und sie plötzlich an nichts anderes mehr denken konnte als an das mysteriöse Fach und die Schriftstücke, die es höchstwahrscheinlich enthielt. Briefe, die Valentin Kronus seiner geliebten Sophia geschickt hatte und in denen er sich doch ganz bestimmt auch über
Das Buch der Geister
ausließ.
    Aber das konnte sie nun wirklich nicht machen. Es wäre ein unentschuldbarer Vertrauensbruch, sagte sich Klara, wenn sie jetzt in diesen Schriftstücken heimlich lesen würde. Doch das würde sie auch ganz bestimmt nicht tun.
    Sie würde nur eben mal das Schloss wegnehmen, das Türchen einen Spaltbreit aufziehen und mit einem Auge in das Fach hineinspähen. Höchstwahrscheinlich war es ja sowieso leer oder enthielt allenfalls Spinnweb und Staub – und wenn sie sich davon überzeugt hätte, könnte sie auch endlich ein wenig schlafen.
    Sie hielt den Atem an, entfernte lautlos das Schloss und zog das leise knarrende Seitentürchen auf.
    Es enthielt ein Schriftstück von beachtlichem Umfang, genau wie Klara sich das erhofft hatte. Rund zwei Dutzend Papierbögen, offenbar sorgsam beschriftet und zweifach zusammengefaltet. Das Manuskript sprang sie geradezu an, es schrie ihr zu, dass sie es an sich nehmen und auf der Stelle lesen sollte.
    Klara erschrak und beeilte sich, das Fach wieder zu schließen und alles so zurechtzumachen, wie sie es vorgefunden hatte. Bei allen guten Geistern, dachte sie – bestimmt enthielten diese Blätter einige Abschnitte aus dem
Buch der Geister
, die

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