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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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schaffen machten. Obwohl er von seiner Zelle aus immer nur zwei von ihnen zu sehen bekam. Das Verlies gegenüber war nämlich viel geräumiger als Hannes’ Mauerloch. Von seiner Steinbank aus konnte er nur den Ausschnitt hinter der Gittertür sehen. Aber allem Anschein nach erstreckte sich das Verlies dort drüben noch ein ganzes Stück weiter nach rechts – genug, um jenem unsichtbaren Dritten Platz zu bieten. Der beispielsweise Cellari sein konnte oder auch ganz jemand anderes – das war schwer zu entscheiden.
    Zumal die Angst in Hannes umherraste und es ihm noch schwerer als sowieso schon machte, auch nur halbwegs klar zu denken. Doch was da drüben hinter der Gittertür am Boden lag, konnte gar nichts anderes sein als der besagte »Knochenkerl«. Das »Holz- oder auch Lumpenmanderl«, wie Skythis es einmal im Wald für ihn umschrieben hatte. Der Inhalt jener vielfach umschnürten Tuch- oder Teppichrolle, die Hannes auf dem Mühlhof zusammen mit Gregor zu ihrem Eisenwagen geschleppt hatte. Damals war es ihm vorgekommen, als ob das Bündel inungewissen Abständen ein Zucken und Zittern überliefe. Jetzt aber lag der »Holzkerl« da drüben ganz still und starr.
    Er lag auf dem Rücken – sofern bei einem ausgehöhlten Baumstamm von einem Rücken die Rede sein konnte –, mit seiner Kopfseite bei der Gittertür. Unmittelbar daneben brannte das Feuer, über dem die beiden Mönche abwechselnd ihre Zangen und ihre Weihrauchkessel erhitzten. So konnte Hannes ganz genau mitverfolgen, was da drüben geschah. Und das war zweifellos so beabsichtigt – schließlich sollten sich »die beiden Knochenbündel gegenseitig zum Singen bringen«, wie Meinolf sich vorhin ausgedrückt hatte. Worauf er in helles Lachen ausgebrochen war.
    Dagegen schien dort drüben niemandem zum Lachen zumute zu sein. Die beiden Mönche schwenkten ihre Weihrauchkessel über dem »Knochenkerl«, dessen Totenschädel fahl zu Hannes herüberglänzte. Dazu murmelten sie die immer gleichen Worte: »Valentin Kronus, Dämon des Satans – im Namen des Erlösers, der die Hölle durchwandelt hat – entweiche aus diesem Idol!«
    So murmelten die Mönche unablässig, mal zu zweien und zuweilen auch zu dreien, wie Hannes nach und nach klar geworden war. Und in ungewissen Abständen beugte sich einer der beiden sichtbaren Kirchenmänner nieder und zwackte den »Knochenkerl« mit seiner glühenden Zange. Dann stieg jedes Mal ein dünner Qualmfaden auf und ein Geruch nach verbrannter Borke, nach schmorenden Lumpen oder auch nach angekokelten Knochen zog zu Hannes herüber.
    Doch das »Lumpenmanderl« gab keinen Mucks von sich, es zuckte nicht einmal zusammen – und vor allem machte Valentin Kronus, der angebliche Dämon Satans, keinerlei Anstalten, aus dem »Knochenkerl« zu entweichen.
    Hatte sich Kronus wahrhaftig in diesem schaurigen Idol aus Holz, Gebeinen und Lumpen verschanzt? Es gelang Hannes einfach nicht, sich eine klare Meinung zu dieser Frage zu bilden. Dafür war die Angst in ihm zu übermächtig, sie raste nun wie ein Rudel wütender Wölfe in ihm umher.
    »Ein ausgehöhlter Baumstamm, mit hineingepfropften Menschenknochen und obenauf einem Totenschädel, um den ein Lumpentuch gewickelt wird: Da hast du deinen Lumpenmann.« So hatte der Unterzensor Skythis ihm damals im Wald die Beschaffenheit solcher Holz- oder Knochenkerle beschrieben, und ganz genauso sah auch das schaurige Idol im Verlies gegenüber aus. »Schwarzmagier verwenden derlei Mummenschanz, um Dämonen zu beschwören«, hatte Skythis weiter ausgeführt, »aber sie können sich auch selbst in einen solchen Knochenkerl verwandeln, wenn sie keine andere Ausflucht mehr wissen. Das behauptet jedenfalls Cellari – und angeblich will er den Holzkerl in seinen Martergewölben traktieren, bis Kronus’ Geist daraus hervorkriecht.«
    Im Grunde war Hannes überzeugt, dass der unsichtbare dritte Mann dort drüben niemand anderes als der Inquisitor Cellari war. Auch wenn es nicht ganz leicht war, sich den eitlen Kirchenmann in einem solchen Verlies unter der Erde vorzustellen. Aber noch schwerer war es ja schließlich, sich auszumalen, dass sich Valentin Kronus in jenen Holzkerl verwandelt haben könnte oder mit seinem Geist in das Heidenidol gefahren war. Und doch verhielt es sich so und nicht anders – auch davon war Hannes überzeugt. Das hatte allerdings sehr viel mehr mit ihm selbst zu tun als mit dem grausigen Holzkerl im Verlies gegenüber.
    Wie gerne hätte Hannes geglaubt, dass die

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