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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Schwätzer in der Menge: Der Bursche würde sogar vorzüglich brennen, wie Zunder, wie eine Vogelscheuche – allerdings wäre er auch genauso schnell zu Asche verbrannt.
    Zwei päpstliche Soldaten, die vorn beim Kutscher auf dem Bock gesessen hatten, packten den Kerl bei den Armen undschleiften ihn die Stufen zum Portal empor. Die Leute waren schon dabei, sich in alle Himmelsrichtungen zu zerstreuen, als ein weiterer Reisender aus der Karosse stieg. Diesmal ging ein Raunen durch die Menge, und die Schaulustigen hätten ihr Entzücken gewiss noch lauter kundgetan, wenn ihnen der Hals nicht zugleich ein wenig eng geworden wäre.
    »Wie ein Engel sieht er aus«, flüsterten sie sich zu.
    »Wie einer der Erzengel, die das Paradies mit Flammenschwertern bewacht haben.«
    »Wie Michael, der den Teufel und seine Gefolgschaft aus dem Himmel verjagt hat.«
    Dem jungen Dominikaner entging gewiss nicht die Bewunderung, die sein Anblick bei den Leuten hervorrief. Seine Haut war so durchscheinend weiß, dass man jede einzelne Ader darunter sich schlängeln sah. Sein mönchischer Haarkranz war weißblond und schimmerte wie ein Heiligenschein. So leichtfüßig, als ob er den Boden gar nicht berühren müsste, eilte der junge Mönch die Stufen hinauf. Im nächsten Moment war auch er im Inquisitionshaus verschwunden, woraufhin sich das schwarze Flügelportal mit leisem Donnergrollen wieder schloss.
    »So also kehrst du wieder, mein Sohn?« Drinnen in der Eingangshalle streckte der Bruder Pförtner seinen Kopf aus dem Holzverschlag hervor und schaute Hannes missbilligend an. »Als Verräter, der sich mit dem Satan gemeinmacht?«
    Es war derselbe junge Dominikaner, der damals über ihn gelacht hatte – Hannes Mergelin hätte ihn selbst im Dunkeln unter Hunderten wiedererkannt. An seinem hochnäsigen Tonfall und den spöttisch hochgezogenen Augenbrauen – ganz genauso hatte der Mönch ihn damals angesehen, als Hannes hier in der Halle auf den Inquisitor Cellari gewartet hatte. Doch damals war er als Gehilfe des Unterzensors Skythis gekommen, um Cellari
Das Buch der Geister
zu übergeben. Und diesmal? Grundgütiger Himmel, dachte Hannes – jetzt war er an Händen und Füßen gefesselt, ein Gefangener der Inquisition!
    Seine Knie begannen zu zittern. Die beiden Purpurkrieger hielten ihn noch immer links und rechts an den Armen fest – als ob er im nächsten Moment einen Fluchtversuch wagen würde! Dabei durfte er ihnen noch dankbar sein, dass sie ihm halfen, sich halbwegs aufrecht zu halten.
    Unverwandt sah ihn der junge Bruder Pförtner mit spöttischer Miene an. Er schien sich auf den angstvollen Unsinn zu freuen, den der Gefangene gleich hervorstammeln würde – aber diesen Gefallen würde Hannes dem hochnäsigen Kerl nicht tun.
    »Mit dem Satan kennst du dich gewiss besser aus als ich«, knirschte er hervor. »Ich sehe ja, wie sich die Dämonen in deinem Herzen suhlen – wie Maden in fauligem Fleisch!«
    Er spie dem Bruder Pförtner ins Gesicht, und der bekreuzigte sich, während Hannes Mergelin weitergezerrt wurde. Durch die gewaltig große Eingangshalle, zwischen Wandgemälden voller Erzengel und christlicher Ritter, die Teufel und Drachen mit Feuer und Schwert niederrangen.
    Und genau so ein Teufel, sagte sich Hannes, bin in ihren Augen nun auch ich. Ein abscheulicher Drache, dem sie ihre Schwerter in den Rachen bohren werden. Eine Ausgeburt der Hölle, die keine Nachsicht, keine Barmherzigkeit verdient.
    Seine Knie zitterten noch immer, doch das kam nur von seiner Entkräftung und den Strapazen, die hinter ihm lagen. Was ihm im Kerker der Inquisition nun bevorstand, sah Hannes ziemlich klar voraus, doch seltsamerweise verspürte er nur wenig Angst. Dabei war er zum Platzen mit allen Arten von Angst gefüllt, Angst vor Schmerzen und Hunger, Angst vor Demütigung und vor dem Tod. Aber er war eisern entschlossen, sich vor Bruder Meinolf und den anderen jungen Dominikanermönchen nicht das Mindeste anmerken zu lassen, und diese Entschlossenheit war wie ein eiserner Käfig in seinem Innern, in dem er seine Angst gefangen hielt.
    Sie schleiften ihn auf jene Tür am hinteren Ende der Halle zu, die zu den Verliesen hinabführte. Die junge Frau kam Hannes inden Sinn, die damals genau so ins Verlies geschleppt worden war, wie es heute ihm selbst erging. Ihr eines Auge war schon zerschlagen gewesen, und mit dem anderen Auge hatte sie ihn unverwandt angesehen, während ihre Häscher sie jener Tür entgegenzogen. Nicht flehend hatte sie

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