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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Mönche dort drüben sich einfach zum Narren machten, indem sie einen abgestorbenen Baumstamm mit ihren Zangen zwackten und ihre Weihrauchkessel über einem toten Mummenschanz aus Holz, Lumpen und Knochen schwenkten. Doch das konnte er unglücklicherweise überhaupt nicht glauben. Ganz im Gegenteil – jedes Mal, wenn einer der Mönche seine Zange glühend heiß erhitzte und das »Lumpenmanderl« aufs Neue damit zwackte, heulte Hannes in seinem Mauerloch leise auf.
    »Valentin Kronus, Dämon des Satans – im Namen des Erlösers, der die Hölle durchwandelt hat – entweiche aus diesemIdol!« So murmelten und sangen die Schergen, und Hannes knirschte mit den Zähnen und presste seine Kiefer aufeinander, als ob er selbst der Holzkerl wäre, aus dem die Mönche einen Teufelsgeist auszutreiben trachteten.
    Ihm war bewusst, dass sie genau das als Nächstes auch bei ihm versuchen würden. Mit ihren Zangen und den heiligen Dämpfen und Gesängen, während Cellari ihnen zusah und nur ab und an in ihren Sprechgesang einstimmte. »Dämon des Satans – im Namen des Erlösers, der die Hölle durchwandelt hat – entweiche aus diesem Idol!«
    So ging es Stunde um Stunde, mit Dampf und Gestank, und längst knirschte Hannes nicht mehr mit den Zähnen, sondern ließ sie halt- und willenlos gegeneinander klappern. Längst schien es ihm, als wäre er selbst dieser Holz- oder Knochenkerl, den die Mönche mit Gesang und Zangen traktierten – so wie er als kleiner Knabe von den anderen Kindern in Kirchensittenbach ja oftmals als »Knochenmanderl« verspottet worden war. Schon damals war er so ausgemergelt gewesen, wie es sein Vatersname besagte. Doch damals hatte er sich noch nicht eingeredet, dass er Bücher hasste und fürchtete, vor allem solche Schriftstücke, die der dichterischen Einbildungskraft entsprungen waren. Ganz im Gegenteil – noch als Knabe von zwölf, dreizehn Jahren war es Hannes’ sehnlichster Traum gewesen, einmal ein geachteter Dichter und Schriftgelehrter zu werden. Ein junger Poet wie jener Harmo, der eines Tages in ihrer Küche aufgetaucht war. Und mit dem wenig später etwas Grässliches geschehen war.
    Irgendwann verstummten die Mönche im Verlies gegenüber, aber Hannes achtete kaum darauf. Wie lange saß er schon in dieser Zelle – Stunden? Einen halben oder ganzen Tag? Er hätte es nicht sagen können. Vielleicht war mittlerweile draußen in der Stadt schon die Nacht hereingebrochen. Hier drinnen im Inquisitionsverlies war es sowieso immerzu tiefe Nacht.
    Drüben löschten die Mönche das Feuer. Sie schoben den »Holzkerl« zur Seite, öffneten die Gittertür und traten auf denGang hinaus. Vor Hannes’ Tür blieben sie stehen und schauten mit stummem Ernst in sein Mauerloch hinein. »Auch du wirst uns alles offenbaren, was dich bedrängt, mein Sohn«, sagte einer von ihnen, und Hannes fragte sich flüchtig, ob denn das Knochenmanderl von gegenüber mittlerweile gebeichtet hatte. Aber auch das bekümmerte ihn im Augenblick nur wenig, genauso wie jener Dritte, der hinter den beiden Mönchen aus der Zelle getreten und gleich durch den Gang davongeeilt war. Hannes spürte, wie enttäuscht und zornig dieser Dritte war – so als ob er keine Hoffnung mehr hätte, den Knochenkerl gegenüber zum Singen zu bringen.
    Unaufhörlich raste in Hannes die Angst umher. Doch sie hatte unterdessen eine andere Gestalt angenommen – sie ähnelte keinem vielhäuptigen Drachen mehr und auch keinem Rudel wütender Wölfe.
    Schaudernd beugte sich Hannes zu seiner Angst hinab. Sie glich nun aufs Haar jenem jungen Poeten Harmo, der eines Tages bei ihm zu Hause aufgetaucht war.
5
    H
armo war damals
ein Bursche von sechzehn, vielleicht siebzehn Jahren – just in dem Alter, in dem Hannes heute war. Harmo musste nur lächeln und mit honigweicher Stimme ein paar Verse sprechen – und schon war alles und jedes um ihn herum wie von einem Zauber umwirkt.
    Hannes riefen damals alle nur Hanno. In seinem Alter hatten seine Brüder August und Franz lange schon auf den Feldern mitgeholfen, aber Hanno hatte Knochen wie ein Sperling und weniger Fleisch auf den Rippen als eine Vogelscheuche. Er war für Männerarbeit viel zu schwach, und so verrichtete er mit fast zwölf Jahren noch immer Weiberwerk. Zusammen mit seiner Mutter und den Mägden saß er von früh bis spät in der Küche ihres stattlichenBauernhofs. Die Frauen buken Brot und kochten Früchte ein, pökelten Schweinehälften und räucherten Speck und Würste in der Esse über dem

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